5 Jahre Labstelle: So geht Nachhaltigkeit

Michaela Reisel

Team Labstelle. Die beiden Herren links: Sous Chef Marcel Drabits und Küchenchef Kristijan Bacvanin © Labstelle

Diese Woche: All eyes on … die Jungs der Labstelle. Heuer feiert das Haubenrestaurant sein 5 Jahr Jubiläum. In der Küche steht das Team rund um Küchenchef Kristijan Bacvanin und Sous Chef Marcel Drabits. Was ihnen am Herzen liegt? Nachhaltigkeit. Wie sie das umsetzen? Haben sie uns im Gespräch verraten.

Viel Leidenschaft war im Spiel, als Vollblutunternehmer und Labstellen-Geschäftsführer Thomas Hahn im Juni 2013 das Restaurant LABSTELLE zwischen Lugeck und Wollzeile im 1. Bezirk eröffnete. Mit einem 25-köpfigen Team von Service bis Küche lautete das erklärte Ziel, der Wiener Küche einen neuen Geschmack zu verleihen. Heute, 5 Jahre später, zählt die Mannschaft rund 35 Personen, die jährlich mehr als 30.000 Restaurantgäste und 10.000 Eventteilnehmerinnen und –teilnehmer verwöhnen. Letztere vor allem im SAAL, dem Veranstaltungssaal der Labstelle, der seit 2014 in Betrieb ist und in dem – neben dem täglichen Restaurantbetrieb – jährlich 150 Veranstaltungen für bis zu 80 Personen ausgerichtet werden.

Neben der Aufnahme in den begehrten Restaurantführer Gault Millau ist man stolz auf die Listung im Guide Michelin als Bib Gourmand. Auch die Eintragung im Slow Food Guide, das Umweltzeichen sowie das AMA Gastrosiegel bestätigen die Linie, die man fährt. „Motivation und Ehrgeiz schöpfen wir aber nicht nur von Auszeichnungen, sondern vor allem aus dem Feedback unserer Gäste. Ohne ihr Vertrauen könnten wir unsere Vision der Labstelle nicht leben“, so Hahn.

Ein Blick ins Innere des Restaurants © Labstelle

Modern, ungewöhnlich, selbstgemacht

Küchenchef Kristijan Bacvanin und Sous Chef Marcel Drabits

Und die kulinarische Vision, wie verfolgt man die? „Die Basis unserer Küchenlinie ist die österreichische, Alt Wiener Küche. Die interpretieren wir modern und ungewöhnlich“, so Küchenchef Kristijan Bacvanin und Sous Chef Marcel Drabits. Ein Beispiel gefällig? Das dekonstruierte Gröstl. „Bei uns ist es kein Pfannengericht, jede einzelne Zutat hat ihre Position: da gibt’s z.B. ein Serviettenknöderl, confierte Erdäpfel, Petersiliencreme, Fledermaus, eingelegte Zwiebeln, auch ein rosa gebratenes Stück kann dabei sein.“ Im Grunde gehe es darum, trotzdem der Linie der österreichischen Küche treu zu bleiben. Aber eben anders.

„Was auch zu unserer Philosophie gehört: wir kaufen Tiere im Ganzen.“ Von Huhn bis Schwein werden die Tiere im Ganzen ins Restaurant geliefert. Einzig Kälber kommen aufgrund ihrer Größe halbiert. Auch Wildschweine hat man schon verarbeitet und im Herbst kommen wieder die Rehe, direkt vom Jäger des Vertrauens geliefert.

„Wir machen sehr viel selbst, Blunzen, Wurst, Brot backen wir täglich, Marmeladen, Gelees, legen Gemüse ein, fermentieren. Das sind alles Dinge, für die man Platz braucht.“ In den letzten Tagen wurden Küche und Kühlhaus vergrößert, um mit den größeren Ressourcen möglichst viel Selbstgemachtes auch in den Wintermonaten anbieten zu können, wenn die Vegetation nicht so reich ist wie jetzt im Sommer. Erdbeerröster, gepickelten Spargel und vieles mehr.

All hail to … Nose to tail

Die Tiere im Ganzen werden komplett verarbeitet, Nose to tail sozusagen. Mit einem eigenen Nose to tail Menü zeigen die Jungs, was sie aus Mangalitza, Schwäbisch Hällisch x Duroc Schwein oder Kalb alles machen. Das reicht von Guanciale bis Speckeis. Auch spannend: das 6-gängige Überraschungsmenü mit Produkten, die nicht auf der Karte stehen.

Was man sonst noch probieren sollte? „Unbedingt ein Dessert“, meint Marcel. Selbstgebrautes Stout Bier von Barmann Ben inspirierte zu einer Kreation aus Zotterschokolade, Bier und Karamell.

„Gibt nichts Besseres!“

„Wir versuchen ehrliche Gastro zu betreiben, das heißt nachhaltig zu arbeiten.“ Daher arbeite man gerne mit kleinen Produzenten und Lieferanten zusammen. „Das ist zwar oft ein größerer organisatorischer Aufwand, dass sie nicht immer alles parat haben. Die Lieferzeiten sind einfach nicht so, als würde man am Großgrünmarkt einkaufen.“ Aber darauf lege man von Beginn an großen Wert. „Am Anfang mussten wir uns unsere Lieferanten noch zusammensuchen, heute kommen viele auf uns zu, um uns ihre Produkte anzubieten.“ Das habe viel mit gegenseitiger Wertschätzung zu tun.

Erdbeeren und Spargel etwa aus dem Marchfeld, wo Marcel herkommt. Ein guter Teil des restlichen Gemüses kommt ebenfalls aus Niederösterreich: „Wir sind stolz, dass der Bauer Michl uns beliefert.“ Der Gemüsebauer aus Stetten (Bezirk Korneuburg) versorgt einige von Wiens Spitzenrestaurants mit Wertvollem vom Feld. „Was Gemüse angeht, gibt’s Nichts Besseres“, so Kristijan.

In der Region bleiben

Dessert aus selbstgebrautem Stout Bier, Zotterschokolade und Karamell

Am Herzen liege dem Team auch, in der Region zu bleiben. Soweit es eben geht. Schließt die Philosophie aus, Salzwasserfische zu verarbeiten? Ja. Momentan stehen zwar Matjes auf der Karte, aber das Ausgangsprodukt dafür sind nicht wie üblich im Salzwasser lebende Heringe, sondern Kärntner Reinanken. An insgesamt nur zehn streng ausgewählte Gastrobetriebe in ganz Österreich vergeben die Bundesforste Fische aus heimischen Seen. Pro Bundesland je ein Restaurant, in Wien das Steirereck und die Labstelle.

Besonders stolz ist man auch auf die Feigen. Die sind Bio und kommen vom Feigenhof am Himmel (1110), vier bis fünf Kilogramm pro Woche werden geliefert. „Wenn die aus sind, sind sie aus. Wir kaufen keine Feigen woanders nach.“ Was wird aus den Feigen gemacht? „Nichts. Wir geben etwas dazu, aber mit den Feigen machen wir nichts. Weil sie einfach so gut sind, dass man sie auf keinen Fall in irgendeiner Art und Weise verändern sollte“, meint Kristijan. Dazu gibt’s z. B. mit Zotterschokolade veredelten Blauschimmelkäse aus der Genussregion Riegersburg und Walnüsse vom Bauer Michl.

Was das Nose to tail beim Fleisch, ist als Prinzip Leaf to root bei Pflanzen – nichts wird weggeschmissen. „Aus den Blättern, auf denen die Feigen geliefert werden, machen wir Honig und Schnaps.“ Die Feigenblätter seien intensiv im Geschmack, „marzipanig“.

Meister des Kimchis

Gegen Ende des Gesprächs gesellt sich Matthias dazu, ebenfalls Koch in der Labstelle. „Er sorgt für die asiatischen Einflüsse“, erklärt Marcel. Matthias ist der Meister des Kimchis. „Aber nicht mit irgendwelcher gekaufter Kimchi-Basis, sondern komplett selbstgemacht. Gemüse vom Krautwerk: Karotten, Sellerie, Lauch, Jungzwiebel, Radi.“

 

Momentan bringt Matthias zum Beispiel das Beef Tatar, ein Klassiker des Hauses, mit asiatischer Note auf den Teller. „Ich verwende keine normale Standardmarinade wie beim klassischen Beef Tatar, sondern verwende Sesamöl, Sojasauce, Oystersauce oder Plumsauce und mixe mein Kimchi darunter.“ On top: ein gebackenes Bio-Ei. Auch für die Gäste, die es fleischlos bevorzugen, lässt man sich laufend Spannendes einfallen, experimentiert etwa mit vegetarischen Varianten von Tatar wie mit Pilzen oder: „Wir haben auch schon ein Karottentatar gemacht. Wir haben Ochsenherzkarotten mit Gewürzen Sous vide gegart, dazu eine tolle Marinade mit Ölen vom Fandler. Da kann man wirklich tolle Sachen machen.“

Word Rap mit Kristijan, Marcel und Matthias

Erfolg ist für mich: (Kristijan) Ein volles Restaurant.
(Marcel) Ich find‘s immer ganz nett, wenn man später am Abend ein bisschen durchgeht, jemand draußen sitzt, den man kennt, man geht hin, plaudert, geht auch zu den anderen Tischen und wechselt ein paar Worte mit den Gästen. Wenn die glücklich sind, die Kombinationen und den Gedanken dahinter verstehen und einen schönen Abend haben.
(Matthias) …genau, wenn man das Feedback zurückbekommt.

Welche Eigenschaften sollte man mitbringen, um als Koch erfolgreich zu sein?
(Kristijan) Leidenschaft und Interesse an den Produkten.
(Marcel) Eine gewisse Verrücktheit.
(Matthias) Ohne Leidenschaft geht’s eigentlich gar nicht.
(Marcel) Auf jeden Fall. Es sind oft sehr lange Tage, da ist Leidenschaft das Wichtigste.

Woher kommen Inspirationen? (Matthias) Teilweise aus Kochbüchern, aber jeder von uns hat ein gewisses Spektrum an Vorstellungen und Produkten im Kopf, durch die lange Erfahrung und die verschiedenen Stationen, wo jeder schon war.
(Kristijan) Was bei uns dazukommt: wir kennen uns alle schon sehr lang, haben auch schon vor der Labstelle zusammengearbeitet.
(Marcel) Ich geh gern mit den Hunden spazieren, da kommen mir Ideen für Desserts. Ich sehe z.B. Pusteblumen auf einer Sommerwiese. Diese Wiese habe ich von der Optik und vom Geschmack her als Dessert umgesetzt und unlängst auf die Karte gesetzt. Mit Weizengras (von Microgreens), diversen kleinen Kräutern, auch grünen Apfel haben wir verarbeitet.

Was treibt euch an in eurer Arbeit? (Matthias) Die Kreativität, immer wieder was Neues zu machen. Hier vor allem mit den wahnsinnigen tollen Produkten zu arbeiten.

Was bringt euch Ausgleich? (Marcel) Mein Hund.
(Kristijan) Familie, mein Sohn.

Wenn ihr privat essen geht, was bevorzugt ihr da? (Kristijan) Bodenständige Küche.
(Matthias) Ganz unterschiedlich, ich schau‘ immer gern was Neues an, auch Hauben- und Sterneküche. Und sonst: gute bodenständige Küche oder ein toller Heurigen.
(Marcel) Wir schauen uns immer gern die neuen Lokale an, ich glaube, jeden interessiert das ein bisschen, was die anderen machen. Zu sagen, mir ist das egal, ich mach mein Ding, glaub ich nicht. Man holt sich doch Anregungen – und wenn’s nur eine Sache ist – und arbeitet dann selbst eine Idee aus.

Lieblingsessen? (Matthias) Blunzen, Speck.
(Kristijan) Butterbrot mit hausgemachter Paprikawurst.

Was geht gar nicht? (Kristijan) Eier.
(Matthias) Fast Food ist schon grenzwertig. Geht natürlich auch mal, aber generell minderwertige Produkte.
(Marcel) Schlechte Fertigprodukte.
(Kristijan) Tiefkühllasagne.
(Matthias) Ja, das gehört ganz oben zu den No-Gos dazu.

Kulinarische Lieblingsjahreszeit: (unisono) Sommer.
(Marcel) Spätsommer eigentlich, da werden die richtig guten Sachen reif. Im August, September bekommen wir so viele Sorten Tomaten, das ist ein Wahnsinn.

Gerne einmal zu Abend essen würde ich mit: (Marcel) Generell in guter Gesellschaft mit meiner Familie und meinen Freunden. Da geht einfach nichts drüber.
(Kristijan) Ich hätte gern einmal mit Johnny Cash gegessen, aber das geht sich nicht mehr aus.
(Matthias) Bei mir wär’s Anthony Bourdain. Seit ich damals seine Biografie „Geständnisse eines Küchenchefs“ gelesen habe.

Das sollte man immer in der Küche haben: (Marcel) Musik. Ich find’s ohne Musik ganz langweilig. Wir sind viele Leute und haben immer ein bissl Action. Beim Service nicht, aber in der Vorbereitungszeit haben wir immer Musik laufen. Da sind wir gut drauf.
(Kristijan) Es sind nicht immer alle gleich gut drauf. Je nachdem, wer die Musik auswählt. (allgemeines Lachen)

Schanigarten © Labstelle

Tipp: Überzeugen Sie sich bei einem Dinner im Zuge der Wiener Restaurantwoche von der ehrlichen, regional verwurzelten und frischen Küche der Labstelle.
Kristijan, Marcel & Co verwöhnen Sie mit:

Paradeisvielfalt . Burrata vom Pöhl . Wassermelone . Basilikumkresse

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Gelbe Zucchini & Paradeiser . geschmort . Melanzani-Hummus – Basaltsteinmehlkäse

ODER

Zweierlei Kalb . Maiswaffel . Gemüse vom Bauer Michl

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Kleiner Zwetschkenfleck mit Pistazie . Türkisches Honig-Eis

 

Labstelle

Lugeck 6, 1010 Wien

http://www.labstelle.at/

https://www.facebook.com/labstelle

 

Fotocredits © Marcel Drabits und James Gutierrez