In Wiens 4. Bezirk, an der prominenten Adresse Rechte Wienzeile 15, weht ein frischer Wind durch die Gastroszene. Wo über drei Jahrzehnte lang das legendäre “Amacord” beheimatet war, eröffnet das “Weimarck” – ein Lokal, das für regionale, saisonale Küche und ein bewusstes Miteinander steht. Am Standort, der viele Jahre ein Treffpunkt für Genießer:innen und Nachtschwärmer:innen war, beginnt damit ein neues Kapitel. Das Amacord schloss im September 2024 nach stolzen 36 Jahren seine Pforten. Die Übergabe an eine neue Generation brachte zunächst einen Zwischenschritt mit sich: das “Amacord Alimentari”, das sich auf Feinkost und italienische Spezialitäten konzentrierte, aber nur für kurze Zeit bestand. Nun steht mit dem Weimarck ein neues Konzept in den Startlöchern, das an die Tradition des Ortes anknüpft und gleichzeitig neue Maßstäbe setzen will.
Die Köpfe hinter dem Konzept: Daniela Weichel und Christoph von Bismarck
Hinter dem Weimarck stehen zwei erfahrene Gastronomen: Daniela Weichel und Christoph von Bismarck. Beide sind in der Wiener Gastroszene keine Unbekannten. Kennengelernt haben sie sich während ihrer gemeinsamen Zeit im “Otto Bauer“, einem beliebten Lokal im 6. Bezirk, das mittlerweile unter neuer Leitung steht. Damals leitete Christoph den Service, während Daniela als Küchenchefin für die kulinarische Handschrift des Hauses verantwortlich war – eine Konstellation, die sich als äußerst produktiv erwies. Die Idee, ein eigenes Lokal zu eröffnen, entwickelte sich somit organisch. Sie nutzten die Übergangsphase zur Weiterbildung: Gründerkurse, Impact-Coachings und Programme der Wirtschaftskammer halfen dabei, ihre Vision zu schärfen. Parallel begab sich Daniela auf die Suche nach einer passenden Immobilie – und entdeckte schließlich das ehemalige Amacord, das sie sofort wiedererkannte. Der Kontakt zu den Vorbesitzer:innen war schnell hergestellt, und so nahm ein neues Kapitel seinen Lauf.
Mit dem gemeinsamen Projekt stellte sich bald auch die Frage nach einem Namen – einer Bezeichnung, die beide Persönlichkeiten vereint und gleichzeitig etwas Eigenständiges entstehen lässt. Der Name “Weimarck” ist ein Kofferwort, das sich aus ihren Nachnamen zusammensetzt. Die Bedeutung geht über den bloßen Klang hinaus: Er steht symbolisch für die Verbindung zweier Persönlichkeiten, zweier Lebenswege und zweier Zugänge zur Gastronomie, die sich in einem gemeinsamen Projekt vereinen. Die Philosophie dahinter ist klar: ehrliche Küche, Produkte mit Herkunft und ein Ort, der für alle da ist.
Die Küche: Saisonal, regional und flexibel
Die Küche im Weimarck basiert auf einer klaren Philosophie, die Regionalität und Saisonalität in den Mittelpunkt stellt, ohne dabei dogmatisch zu sein. Während Zutaten, wie etwa Olivenöl, aus Italien bezogen werden, stammt der Großteil der Produkte bewusst aus Österreich. Es wird darauf geachtet, nur heimische Lebensmittel zu verwenden, wenn sie verfügbar sind – Gurken beispielsweise werden nicht aus Spanien importiert, wenn sie hierzulande wachsen, und Meeresfische spielen keine Rolle, solange es ausreichend einheimische Fischarten gibt.
Durch ihre langjährige Erfahrung in der Gastronomie verfügt Daniela über ein gut gepflegtes Netzwerk von verlässlichen Lieferanten, die ihre Werte teilen. So beziehen sie ihr Brot vom Meinklang Hofladen, wo alte Weizensorten in Bio-Qualität angebaut und verarbeitet werden, und Fleisch von der Fleischerei Höllerschmid, die fast ausschließlich Bio-Fleisch aus österreichischer Herkunft liefert. Den Fisch beziehen sie von Oberwasser Fisch, einer kleinen Zucht in Schwarzau im Gebirge, die sich auf heimische Fischarten spezialisiert hat. Die Auswahl der Zutaten wird dabei stets von der Verfügbarkeit und Qualität bestimmt.
Wir müssen den Menschen wieder näherbringen, dass es einfach das gibt, was gerade da ist – genau danach richten wir auch unseren Einkauf am Markt.
Daniela Weichel, Küchenchefin und Inhaberin von Weimarck
Neben der Orientierung an den verfügbaren Produkten fließt in die Gerichte auch viel kreative Freiheit ein. Daniela entwickelt viele Rezepte aus einer Mischung aus Inspiration, eigenen Ideen und Träumen – und dem was der Monat und die Zutaten hergeben. So gelingt es, eine Küche zu schaffen, die einerseits bodenständig und regional ist, andererseits aber auch Überraschungen und neue Geschmackserlebnisse bietet. Ein besonderes Merkmal des Weimarck ist der bewusste Umgang mit saisonalen und regionalen Lebensmitteln – und vor allem der verantwortungsvolle Umgang mit überschüssigen Produkten vom Naschmarkt. Jeden Samstag sammelt Daniela kurz vor Marktschluss frische, aber nicht verkaufte Waren direkt bei den Bauern ein. Was andernorts als Überschuss gilt, wird hier zur wertvollen Zutat in der Küche. Diese Vorgehensweise reduziert Lebensmittelverschwendung und unterstützt regionale Produzenten gleichzeitig. Dabei gilt ein einfaches Prinzip: Es gibt nur das, was gerade verfügbar ist.
Vielfalt auf dem Teller, Verantwortung in der Küche
Die Speisekarte im Weimarck wechselt regelmäßig, wobei einige Klassiker fest verankert sind. Ein gutes Schnitzel darf hier nicht fehlen – schließlich gibt es viele Touristen, aber auch Stammgäste, die genau darauf Wert legen. Ebenso immer präsent sind ein Beef Tatar, ein frischer Salat sowie eine vegetarische Vorspeise. Das „Piece of a Plate“ ist ein täglich wechselndes veganes oder vegetarisches Gericht, das von saisonalem Gemüse inspiriert ist. Besonders bekannt ist das „Cacao Chicken“, ein Gericht, das aus einem klassischen Backhendl hervorgegangen ist, aber durch kleine kreative Anpassungen zu einem einzigartigen Signature Dish geworden ist. Die Küchenchefin legt Wert auf solide Marktküche ohne Schnickschnack, mit Portionen, die satt machen – kein Fine Dining, sondern ehrliche und gut zubereitete Gerichte mit einem kleinen kreativen Twist. So wird zum Beispiel mit ungewöhnlichen Gewürzen wie Sumac experimentiert, die in Kombination mit Fisch neue Geschmackserlebnisse schaffen, ohne dabei abgehoben zu wirken.
Neben der Vielfalt auf der Karte spiegelt sich in den Gerichten auch die kulturelle Herkunft der Betreiber wider. Einflüsse aus verschiedenen Ländern fließen mit ein, ohne dass sich das Restaurant auf eine bestimmte Landesküche festlegt. Persönliche Favoriten wie die türkischen Zucchinilaibchen (Mücver), die Daniela schon als Kind gern gegessen hat, zeigen: Es geht um vertraute, ehrliche Küche mit persönlicher Note. In diesem Geist wird auch mit Fleisch umgegangen – bewusst, respektvoll und mit Sinn für das Ganze. Statt edler Filetstücke stehen oft weniger bekannte, aber ebenso hochwertige Teile auf der Karte. So wird nicht nur Geschmack gefeiert, sondern auch ein Zeichen gegen Verschwendung und für nachhaltigen Fleischkonsum gesetzt.
Letzte Woche hatten wir zum Beispiel Kalbsbries auf der Karte – eine besondere Drüse am Hals des Kalbs, die nur bei jungen Tieren vorkommt und mit dem Alter verschwindet. Solche Spezialitäten findet man heute nicht mehr überall. Ich finde, wenn man schon Fleisch isst, sollte man auch das ganze Tier verwerten. Es gibt so viele andere gute Stücke vom Tier, die man verwenden kann.
Daniela Weichel, Küchenchefin und Inhaberin von Weimarck
Gemeinschaftlich denken: Ein Ort für das Grätzl
Die Räumlichkeiten des ehemaligen Amacord wurden bereits vom Sohn der früheren Betreiberin renoviert. Helle Wände, warme Farben und natürliche Materialien schaffen heute ein offenes, freundliches und dennoch intimes Ambiente. Das Weimarck knüpft daran an und führt die Geschichte des Lokals mit Feingefühl weiter. Besonders im Nebenraum bleibt die Vergangenheit sichtbar: Boden, Möbel und Interieur stammen noch aus früheren Zeiten. Diese bewusste Entscheidung bewahrt die Seele des Hauses und trägt zur Atmosphäre bei, die Geschichte und Gegenwart miteinander verbindet. Gleichzeitig versteht sich das Weimarck nicht nur als Restaurant, sondern als lebendiger Treffpunkt im Viertel. Es soll ein Ort sein, an dem alle willkommen sind – Nachbar:innen, Tourist:innen, Marktbesucher:innen, junge wie alte Gäste. Das Publikum ist entsprechend bunt gemischt. Besonders die jüngere Szene ist stärker vertreten als früher, doch auch alte Stammgäste schauen gerne vorbei.
Betrieben wird das Lokal von einem Team mit weniger als zehn Personen, inklusive der beiden Inhaber:innen. Der Fokus liegt auf ehrlicher Gastfreundschaft, fairen Preisen und einem Ort, an dem sich Gäste einfach wohlfühlen. Die Öffnungszeiten spiegeln das wider: Dienstag bis Samstag ab 17:30 Uhr, warme Küche von 18:00 bis 21:30 Uhr. Bezahlt wird aktuell ausschließlich bar – eine spätere Umstellung auf Kartenzahlung ist jedoch geplant. Auch ein Mittagsangebot ist in Vorbereitung: Zunächst mit kleinen Snacks – abgestimmt auf die Bedürfnisse des Grätzls und der umliegenden Büros. Ziel ist es, einen Ort zu schaffen, der glücklich macht – mit Atmosphäre, Haltung und einem leeren Teller am Ende des Abends.
Unsere Gäste sind sehr gemischt, und genau das möchten wir – ein Ort sein, an dem wirklich jede*r willkommen ist. Wir sind offen und queer-friendly, das tragen wir auch klar nach außen. Für unangenehme Gestalten gibt es bei uns keinen Platz, darauf achten wir ganz besonders.
Daniela Weichel, Küchenchefin und Inhaberin von Weimarck
Weimarck
Rechte Wienzeile 15
1040 Wien, Österreich
+43 (1) 587 47 09
Di bis Sa, 17:30–0:00 Uhr
Küche: 18:00–21:30 Uhr
Momentan nur Barzahlung