Das Geheimnis der Kellerwelten: Zu Besuch bei Schlumberger

Michael Windisch

Schlumberger Kellerwelten: Eine Prunkallee zur Begrüßung. Foto: Michael Windisch

Mehr als zwei Kilometer Gänge, 300 Jahre Geschichte, und ein tief verborgenes Geheimnis: Das sind die Kellerwelten des Wiener Traditionshauses Schlumberger. Wir haben uns mit „Kellermeister“ Benjamin Leitner auf die Spuren des Gründers Robert Schlumberger begeben. 

Ein Anflug von Ehrfurcht überkommt uns, als wir durch die gläserne Tür in die kühle Luft des Kellers treten. Es ist der Geist von drei Jahrhunderten, der aus den hohen Ziegelmauern zu atmen scheint. Der Geist der Erinnerung, aber auch der Gegenwart. Denn die Kellerwelten des Wiener Schaumweinfabrikanten Schlumberger sind kein Museum, das Geschichte verwahrt, sondern ein Ort, der Geschichte schreibt. Immer noch. Immer weiter.

Benjamin Leitner bringt Gastro News Wien Chefredakteur Marko Locatin  die Schlumberger Geschichte näher. ©culinarius_GmbH_Sophisticated_Pictures-Kopie

Ein Geschichte, die Benjamin Leitner, Leiter der Schlumberger Kellerwelten immer wieder gerne erzählt. 300 Jahre ist es her, dass Wiener Winzer hier in Heiligenstadt die Gänge in den Berg gegraben haben. Aber es war ein gewisser Robert Schlumberger, der Mitte des 19. Jahrhunderts die verschiedenen Keller zu einem Labyrinth mit knapp 2,5 Kilometern Gesamtlänge zusammenführen und damit den Grundstein für ein regelrechtes Imperium legen sollte.

Der Grundstein für ein Imperium

Der gebürtige Stuttgarter Schlumberger war 1842 gerade erst aus Frankreich nach Wien, der Heimat seiner frisch angetrauten Sophie gekommen. Schnell versuchte er, Fuß zu fassen. Er tat es mit dem, was er am besten konnte, und was er während seiner Jahre im nordfranzösischen Reims – einer Champagnerhochburg – perfektioniert hatte: der Produktion von Schaumwein nach der traditionellen Methode der Champagne. Das sollte seine Flaschen an die Herrscherhäuser von Wien bis London bringen. Und genau so wird in den Kellern, die er hinterlassen hat, noch heute Schaumwein gemacht.

Gerüttelt, nicht gerührt. Bei der Remuage setzt sich die Hefe vom Wein ab. Foto: Michael Windisch

„Genaugenommen ist es der Feinschliff, der hier passiert“, erklärt Leitner, der uns durch die Kellergewölbe führt. Rund 13 Grad herrschen hier – im Sommer wie im Winter. Die Abkühlung ist höchst willkommen an diesem heißen Sommertag. Die ersten Produktionsschritte, erzählt der Leiter der Kellerwelten, finden in Bad Vöslau, im Süden von Wien statt. Hier hatte Robert Schlumberger selbst seine ersten Weingärten in Österreich gepachtet.

Zu diesen frühen Stufen im Herstellungsprozess zählen etwa die Assemblage, bei der aus Trauben verschiedener Jahrgänge oder Lagen spezielle Cuvées geschnitten werden. In Wien aber erfolgt unter anderem die Remuage, bei der die Flaschen – traditionell von Hand, versteht sich – immer weiter gedreht und mit dem Hals nach unten geneigt werden. 40.000 Flaschen würden die acht professionellen „Rüttler“, so der deutsche Fachausdruck, an manchen Tagen bewegen, sagt Leiter. Oft nur um wenige Zentimeter. Erst wenn die Flaschen beinahe senkrecht im Rüttelpult lagern sammelt sich die Hefe vollständig im Flaschenhals und kann entfernt werden.

Das Geheimnis jedes Kellermeisters

Was dann folgt ist die Krönung: die Dosage. „Die Dosage ist das Geheimnis jedes Kellermeisters“, erklärt Leitner. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Konzentraten von Trauben- und Fruchtzucker, Weinen und Schaumweinen früherer Jahre, die der Maitre des Caves jeder Flasche einzeln hinzufügt: „Das bringt die finale Note, die dem Schaumwein seinen Charakter verleiht.“

Gegen Ende der Tour machen wir noch vor einem riesigen Faß halt, an dem die Zahl 24445 prangt. Exakt 24445  Liter nämlich fasst das historische Stück, das heutzutage längst leer ist. Leergetrunken vor langer Zeit von einem ganz besonders in die Perlen verliebten Mitarbeiter, wie Leiter lächelnd erzählt. Er soll während der knapp sechzig Jahre, die er hier im Keller seinen Dienst verrichtet hat, sogar das anderthalbfache dieses Fasses „verkostet“ haben, besagt die Legende. Das wären fast zwei heute handelsübliche Flaschen pro Tag. Sonntage mit eingerechnet.

24445 Liter, leergetrunken von einem Mitarbeiter. So will es zumindest die Legende. Foto: Michael Windisch

Für so ausgiebige Verkostungen bleibt uns heute leider keine Zeit mehr. Und doch schließen wir die etwa einstündige Tour mit einem Tasting,welches uns die Tradition des Hauses Schlumberger auch in der Praxis näher bringt. Der Blanc de Blanc etwa kommt frisch und spritzig – ein weiniger, belebender Schaumwein für jede Tageszeit. Als edles Tröpferl stellt sich der Pinot Noir Reserve heraus, offizieller Aperitif der 20. Wiener Restaurantwoche, der es in puncto Eleganz mit vielen Champagner-Kreationen aufnehmen kann.

Besucherinfos

Geöffnet haben die Kellerwelten am Mittwoch von 11 bis 21 Uhr und von Donnerstag bis Samstag von 11 bis 18 Uhr. Führungen gibt es jeweils um 16 Uhr, ansonsten stehen Audioguides in acht Sprachen zur Verfügung. Die Tour mit einem Glas Schlumberger kostet regulär elf, für Studenten und Pensionisten acht Euro. Die Tour mit Verkostung von fünf Schaumweinen gibt es um 20 Euro. Zudem bieten die Kellerwelten ein einmaliges Ambiente für Events oder Hochzeiten.

www.schlumberger.at
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