Wer in Wien lebt, kennt das Spiel: Hotels sind für Tourist:innen da. Die Bar im Hotel? Vielleicht hübsch, aber kein Ort, an dem man sich freiwillig auf ein Spritzerl trifft. So dachte man zumindest lange – bis ein gewisser Ernst auftauchte. Genauer gesagt: Der schöne Ernst. Eine Bar, die eigentlich viel mehr ist. Eine Idee, ein Statement, ein Wohnzimmer mit Anspruch – und das alles mitten auf der Praterstraße. Hinter dem Konzept stehen Verena und Georg Pastuszyn, die Inhaber des Hotel Henriette, die mit dem Ernst nicht nur ihre Hotellobby, sondern auch die Nachbarschaft neu denken.
Ein Ort, der Ernst macht – und Spaß dabei hat
Noch vor wenigen Jahren glich die Praterstraße einer tristen Stadtautobahn. Doch dann kam die Umgestaltung: Verkehrsberuhigung, Begrünung, neue Konzepte – heute wirkt die Straße fast boulevardhaft. Kulinarisch gilt sie längst als wachsender Hotspot, nicht erst seit dem Erfolg von Lokalen wie dem Mochi. Und seit dem 9. Mai 2025 hat die Praterstraße mit dem schönen Ernst auch eine neue Aperitivo-Adresse. Eine elegante Kaffee- und Hotelbar im Hotel Henriette, inspiriert von Mailand, verwurzelt in Wien.
Was uns immer gestört hat, war, dass die Wiener:innen quasi keinen Zugang zum Hotel haben. Wir wollten, dass das Hotel ein lebendiger Ort wird – mit Zugang zur Stadt. Und so kam es zur Idee für den schönen Ernst.
Verena Brandtner-Pastuszyn, Inhaberin und Geschäftsführerin von “Henriette Hotel”
Im Erdgeschoß des Stadthotels Henriette (ehemals Hotel Capri) hat sich dafür einiges verändert. Für das neue Lokal wurde das Erdgeschoss komplett umgebaut und zur Straße hin geöffnet – mit viel Glas, einem offenen Raumgefühl und der Vision, nicht nur für Hotelgäste, sondern vor allem für die Wiener:innen selbst ein Ort zu sein: für Kaffee am Vormittag, Brötchen zu Mittag und Spritzer am frühen Abend. Der Name klingt charmant altmodisch, ist aber alles andere als zufällig gewählt. “Ernst” ist eine Hommage an die Hartnäckigkeit, erklärt die Geschäftsführerin. Das Projekt hat sieben Jahre gedauert – und Ernestus heißt auf Lateinisch ernsthaft, beharrlich. Gleichzeitig steht “schön” für eine innere Schönheit, die die Inhaber mit Gemeinwohl und Nachhaltigkeit verbinden. Kurz gesagt: Der schöne Ernst macht seinem Namen alle Ehre – mit Stil, Substanz und einem Gespür für das große Ganze.
Ein Hauch Mailand, ganz viel Wien
Optisch ist der Ernst ein echter Blickfang. Die einst nüchterne Hotelfassade erstrahlt heute farbenfroh, durch die großzügige Glasfront sieht man direkt auf die elegant geschwungene Theke, gestaltet in sattem Grün, inspiriert vom Architekten Eugen Wörle, der das Gebäude in den 1950ern entworfen hat. Innen wirkt alles wohnlich, fast wie ein buntes Wohnzimmer – mit Materialien, die nicht nur gut aussehen, sondern auch gut fürs Gewissen sind. Der Steinboden besteht zu 80 % aus Recyclingmaterial, der alte Holzboden stammt aus einem demontierten Haus im 4. Bezirk, die Tische sind mit einem Naturfaserharz belegt, und sogar der Waschtisch auf der Toilette wurde aus alten Kühlschrankplatten gefertigt. Inhaltlich ist die Bar eine wienerische Übersetzung des Mailänder Aperitivo: tagsüber Café, abends Treffpunkt für Spritz-Getränke, begleitet von kleinen Häppchen – unkompliziert, elegant und regional. Der Prosecco kommt aus der Fassanlage, serviert wird u. a. der Wiener Wermut Spritz, Zirbenspritz mit Rosmarin oder der Steirische Apfelspritz. Der Schaumwein stammt übrigens von der Proseccotraube – „gezapft wie in Italien“, wie es die Geschäftsführerin nennt – ideal zum Teilen in der Gruppe.
Für uns war es besonders wichtig, gesunde Materialien zu verwenden, die Geschichten erzählen – das ist die innere Schönheit vom Ernst. Die Atmosphäre ist richtig gemütlich, mit viel Stoff und einer bunten Inneneinrichtung. Es hat etwas vom Charme einer Wohnzimmer-Bar, aber mit deutlich mehr Farbe, als man sich zuhause normalerweise trauen würde.
Verena Brandtner-Pastuszyn, Inhaberin und Geschäftsführerin von “Henriette Hotel”
Brötchen mit Charakter und Porridges zum Verlieben
Begleitet werden die Drinks von liebevoll belegten Brötchen, die den Aperitivo-Gedanken auf charmante Weise ins Wienerische übertragen. Lachsforelle mit Krencreme und eingelegten Senfkörnern, Tête-de-Moine mit hausgemachtem Traubengelee, ein Arrangement mit Beinschinken, Essiggurkerl, Salzdotter und Krencreme – das ist nicht bloß hübsch fürs Auge, sondern auch geschmacklich überzeugend. Die Kreationen stammen von Restaurantleiter Adrian Koller, der unter anderem im Sacher und bei Do & Co Erfahrung gesammelt hat. Und auch für Veganer:innen gibt es Überraschungen: etwa ein Lachsbrötchen aus eingelegter Karotte mit Umami-Touch – so täuschend echt, dass viele Nicht-Veganer:innen überrascht sind, was da auf dem Teller liegt. Tagsüber wiederum gehört die Bühne den Porridges – oder besser gesagt: fancy Porridges. Ein Signature-Gericht heißt Omas Ernst und kombiniert Mohn, Vanille, eingelegten Apfel, Powidl, Vanillejoghurt und Mürbteig-Crumble. Verena Brandtner-Pastuszyn beschreibt ihn als „fabelhaft“ – und das mit Überzeugung. Wenn man zum ersten Mal im schönen Ernst isst, sollte man den auf jeden Fall probieren. Ergänzt werden die Frühstücksoptionen bald durch ein Wiener Etagere-Frühstück.
Ein Ort für Begegnung – inmitten des 2. Bezirks
Der schöne Ernst ist ein Ort zum Verweilen, zum Austauschen und zum Wiederkommen. In einer Stadt wie Wien, in der Hotelbars oft nur für Gäste und nicht für Einheimische gedacht sind, gelingt es dem schönen Ernst, eine besondere Nähe zu schaffen. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Hotel und Straße, zwischen öffentlichem Raum und privatem Rückzugsort. Das Konzept setzt auf Offenheit und Begegnung, auf ein ungezwungenes Miteinander, das Einheimische und Besucher gleichermaßen willkommen heißt. Ein Ort, an dem man nicht nur schnell einen Drink nimmt, sondern Zeit verbringt, Menschen trifft und ins Gespräch kommt. Diese neue Verbindung von Stadt, Nachbarschaft und Gastfreundschaft macht den schönen Ernst zu einem lebendigen Treffpunkt, der längst über das Hotel hinausstrahlt. Es ist ein Wohnzimmer mitten in der Praterstraße – ein Raum, der mit Herz und Haltung gestaltet wurde und eine Einladung an alle ist, Teil dieser Gemeinschaft zu werden.
Der schöne Ernst
Praterstraße 44–46, 1020 Wien
01/214 84 04
Mi bis So, 7:00–22:00 Uhr