Gastronomin der Woche: Dagmar Wulz

Julia Kosoric

Das Konzept, keine Speisekarte zu haben macht das Restaurant 1070 am Spittelberg und Chefin Dagmar Wulz in Wien einzigartig! Hier fragt man die Gäste nicht „WAS darf ich Ihnen bringen?“ sondern „Was darf ich Ihnen NICHT bringen?“ Die Entscheidung, welches Gericht serviert wird, obliegt dem Küchenchef des Abends –  es ist immer eine Überraschung! Viele Köche verderben hier nämlich nicht den Brei. Die Chefin selbst steht drei Tage die Woche in der Küche und holt sich junge frische Ideen, durch wechselnde „Küchenchefs des Abends“ ins kulinarische Konzept. Gastro News bat die gebürtige Kärntnerin zum Gespräch. 

Gastro News: Wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich dazu entschlossen haben ein Restaurant zu eröffnen? 

Wulz: Ich bin in der Gastronomie aufgewachsen. Meine Mutter war bereits Wirtin. Später habe ich eine Ausbildung zur Hotel- und Gaststättenassistentin gemacht. Ich entschloss mich dann aber der Gastronomie den Rücken zu kehren. In diesen 15 Jahren war ich sehr viel auf Reisen. Die meiste Zeit verbrachte ich in Amerika und Mexiko. Irgendwann hat es mich dann aber doch wieder nach Kärnten verschlagen. Hier arbeitete ich in einem kleinen italienischen Restaurant – jeden Vormittag und ganz ohne Bezahlung. Dort habe ich dann richtig Kochen gelernt. Später in Wien war ich jahrelang Geschäftsführerin in einem Restaurant am Spittelberg. Nach dieser Zeit, mit knapp 50 Jahren, war die Entscheidung gereift und ich machte mich 2008 selbstständig. Wenn ein Lokal, dann muss es klein, fein und persönlich sein. Frische Produkte, Weine die eine Geschichte erzählen und Musik, die live aufweckt und sich charmant auch im Hintergrund hält.

Gastro News: Auf Ihrer Homepage steht Sie haben nur Weine aus Österreich. Warum?

Wulz: Wir haben einfach tolle Weine. International bekannt und auch beliebt. Anfänglich habe ich versucht eine Art „Gast-Wein“ anzubieten. Aus Italien, Frankreich, Chile… die wollte aber keiner. Der Wiener trinkt gerne „seinen“ Wein, wenn er einen guten italienischen will, dann geht er zum Italiener. Touristen probieren am liebsten einen „Gemischten Satz“.

Gastro News: Ist Ihr Konzept der immer wechselnden Köche in Wien einzigartig?

Wulz: Ich denke ja, ich habe aber ehrlich gesagt noch nie recherchiert. Mit dem konsequenten Konzept keine Speisekarte zu haben, ist das 1070 in Wien sicherlich einzigartig. Gut so! Unsere Gäste erfahren vorab nicht was sie kulinarisch erwartet, für manchen ein echtes Abenteuer voll aufgeregter Erwartungsfreude für andere zerstreuen sich die Bedenken, gleich nach der Vorspeise … denn Qualität und Frische überzeugen!

Gastro News: Keine Speisekarte beutetet aber auch, sich täglich neue Gerichte einfallen zu lassen. Oder?

Wulz: Im Prinzip ja. Das Küchenteam erarbeitet zu allererst einmal einen groben Menüplan für die Woche. Das heißt: welches Fleisch, Fisch geschmort, gebraten, gedünstet – welche Beilagen, wie zubereitet, wie kombiniert? Es entsteht immer ein nachhaltiger Plan, im Sinne von: Welche Produkte sind da, was koche ich daraus. Für unsere Gäste darum garantiert  – tägliche Frische am Teller! PS: es ist auch äußerst ökonomisch, solcherart Küche zu kalkulieren und „best of minimal“ landet im Wegwerfsackerl 😉

Gastro News: Sie sind mittlerweile in Ihrem elften Geschäftsjahr. Was macht das 1070 Ihrer Meinung nach so erfolgreich?

Wulz: Kommunikation steht im Zentrum. Im Restaurant oder an der Bar finden jeweils andere Gespräche statt, dennoch immer persönlich! Passend dazu kulinarische Highlights aus unserer Küche, begleitet von Weinen aus Österreich und wenn es passt – einem verführten Absacker an der Bar.

Gastro News: Glauben Sie Ihr Erfolg hängt auch von Ihrer starken Präsenz ab?

Wulz: Selbstverständlich. In einem kleinen Restaurant erwarten sich die Gäste, das die Chefin persönlich anwesend ist. Ich bin im Service oder auch sehr gerne die Küchenchefin des Abends. Viele gehen nicht in’s 1070, sondern zur Dagmar. Ein wirklich schönes Kompliment!

Gastro News: Wie sieht Ihre Führungsphilosophie aus?

Wulz: Meine Motivation von Beginn meiner Selbstständigkeit war, ich möchte Mitarbeiter und kein Personal. Ich möchte mit jedem auf Augenhöhe arbeiten. Egal ob Küchenhilfe, Küchenchef oder Servicefachkraft! Für mich sind alle gleichgestellt. Vertrauen und Verantwortungsbewussten spielt hier natürlich eine große Rolle.

Gastro News: Worauf legen Sie besonders viel Wert?

Wulz: Auf die Kommunikation. Im Zentrum steht immer die Kommunikation mit dem Gast. Bei uns herrscht Wohnzimmeratmosphäre. Ich spreche jeden meiner Gäste persönlich an. Man muss den Menschen Platz lassen von sich selbst zu erzählen. Unser Publikum ist sehr bunt gemischt. Jung, Alt, Studenten, Doktoren und VIPs – im 1070 fühlt man sich einfach wohl miteinander!

Gastro News: Ihr Rat an alle die planen sich in der Gastronomie selbstständig zu machen?

Wulz: Eine gute Idee und viel Leidenschaft sind einmal Grundvoraussetzung. Mein Leitsatz lautet „Leb es oder lass es“. Vor allem in einem kleinen Lokal ist man nicht einfach nur freundlich. Man gibt einen Teil seiner Persönlichkeit an seine Gäste weiter. Das muss man in diesem Beruf auch. Ansonsten ist man nicht authentisch. Bei so viel freudiger Hingabe ist es aber sehr wichtig sich selbst nicht zu vergessen. Daher mein Tipp: Viel Natur und ein Privatkonto!

Gastro News: Wofür genau?

Wulz: Urlaube, Ausflüge.. um sich selbst etwas Gutes zu tun. Man sollte nicht jeden Schweißtropfen in diese eine Sache investieren. An einem Tag der Woche sollte man sich eine Auszeit gönnen. An diesem Tag gibt es dann kein Lokal. Man schaltet einfach ab.

Gastro News: Vielen Dank für das Gespräch!

 

Restaurant 1070
Gutenberggasse 28, 1070 Wien

Nähere Informationen finden Sie unter: www.restaurant-1070.com