Großstadt oder Kurort

Michaela Reisel
(c) iStock Linjerry

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Von Peter Dobcak

–   “300 Jahre alter Heurigen bangt um die Erlaubnis Gäste im Garten bewirten zu dürfen“

–    “Schanigarten am Spittelberg soll um 19:00 Uhr schließen“

–    “Bierlokal in der Innenstadt muss TV-Schirme abschalten“

Millionen Euros investieren Gastronomen jährlich in ihre Betriebsanlagen um Probleme mit Anrainern zu vermeiden. Der Schutz der Anrainer vor ungebührlicher Belästigung durch angrenzende Betriebe ist durchaus nachvollziehbar. Wir alle wünschen uns ein Lebensumfeld frei von Störungen aller Art. Anrainerrechte haben daher auch für den Gesetzgeber hohe Priorität.

So wie vieles in unserem schönen Land, ist in den letzten 15 Jahren leider auch bei den Anrainerrechten die Verhältnismäßigkeit völlig verloren gegangen. Wir leben nunmal in einer Großstadt und erwarten die dementsprechende Infrastruktur. Dazu gehören Industrie-, Gewerbe- und auch unsere Gastronomiebetriebe. Dass es dabei nicht so ruhig zugehen kann wie in einem Kurort, sollte uns schon der Hausverstand sagen. Und doch gelten die Anrainerrechte als heilig. Egal wie groß die finanzielle Belastung für den Betrieb auch sein mag, ab 23:00 Uhr wird der Gehsteig hochgeklappt. Wenn ein Anrainer besonders lärmempfindlich ist, dann auch schon früher.

Vor wenigen Tagen habe ich einen bekannten Heurigenbetrieb in Grinzing besucht. Diesen Betrieb gibt es seit 300 Jahren vor Ort. Kürzlich sind neue Anrainer in das Nachbarhaus eingezogen. Die neuen Nachbarn bombardieren die Polizei mit Anzeigen wegen Lärmbelästigung durch die Gäste im Garten und beim Verlassen des Heurigens. Niemand sonst hat sich jemals beschwert. Ist ja irgendwie klar, wenn man mitten in einer der ältesten Heurigengegenden Wiens eine Wohnung anmietet, dass die Möglichkeit der Lärmentwicklung durch Gäste besteht. Ist ein Mensch besonders lärmempfindlich, sollte er sich eben nicht genau dort ansiedeln. Die gesetzliche Lage ist allerdings so, dass dieser Betrieb am Ende des Tages tatsächlich fürchten muss, die Gäste weit vor 23:00 Uhr in das Lokal bitten zu müssen damit rechtzeitig Ruhe im Garten ist. Was dies für die Laune der Gäste und auch für den Umsatz des Betriebes bedeutet, das interessiert niemanden.

Man muss sich dieser Tatsache bewusst werden, wenn es dumm läuft, kann ein lange vorher bestehender Betrieb durch einen einzigen neu zugezogenen Anrainer derartige Schwierigkeiten bekommen, dass er schließen muss. Wie pervers ist das denn?

In seinem Bemühen über die Grundrechte hinaus, Jedermann und Jederfrau zu ihrem Recht kommen zu lassen, hat sich der Gesetzgeber in eine klar falsche Richtung bewegt. Dieser Weg führt zwangsläufig zu einer Diktatur der Minderheit. Sobald sich viele vor dem vermeintlichen Recht des Einen beugen müssen, ist es mit der Demokratie nicht mehr weit her. Soweit dürfen wir es keinesfalls kommen lassen!

Euer

Peter Dobcak