Mitten in der Wiener Innenstadt hat Hao Wu ein kulinarisches Konzept etabliert, das Tradition mit Zeitgeist verbindet. Das NAGANO, ursprünglich in Salzburg verwurzelt, bringt als „Izakaya neu gedacht“ die entspannte Seele japanischer Gastkultur in ein modernes, urbanes Setting – ohne steife Förmlichkeit, dafür mit viel Geschmack und Persönlichkeit. Im Interview spricht Gastgeber Hao Wu über seine gastronomischen Wurzeln, den Schritt nach Wien, kulinarische Lieblingsgerichte und die Philosophie hinter einem Restaurant, das zwischen Nigiri, Udon Carbonara und Industrial-Chic ein neues Level japanischer Küche in Österreich etabliert.
Sie beschreiben Ihr Konzept als „Izakaya neu gedacht“. Was bedeutet das konkret für das Erlebnis Ihrer Gäste?
Der Begriff „Izakaya“ steht für eine ungezwungene, gesellige Atmosphäre – ein Ort, an dem man nach Feierabend spontan einkehrt, etwas trinkt und gut isst. Genau das wollen wir transportieren: Es soll locker, unkompliziert und einladend sein – kein formelles Fine Dining. Bei uns braucht man keine wochenlange Reservierung, kein spezielles Outfit, kein Verstellen – come as you are. Unser Ziel ist es, Hürden abzubauen und einen Raum zu schaffen, in dem sich jeder wohlfühlt. Im Grunde ist das NAGANO ein Wiener Beisl auf Japanisch – ein Ort zum Zusammenkommen, Genießen und Entspannen.
Wenn Sie an Ihre Kindheit im Salzburger NAGANO denken – gab es einen Moment, in dem Ihnen klar wurde: „Ich werde irgendwann auch Gastgeber sein“?
Ehrlich gesagt: Nein. Ich bin im Stammhaus aufgewachsen, habe aber dem Gastgebertum anfangs eher abgeschworen. Meine Eltern waren echte Vollblut-Gastronomen – sie haben sieben Tage die Woche gearbeitet, oft 17 Stunden täglich. Es gab sogar Phasen, in denen sie im Restaurant übernachtet haben, um morgens direkt mit den Vorbereitungen starten zu können. Als Kind war das für mich nicht positiv besetzt. Ich bin also zunächst ganz bewusst einen anderen Weg gegangen – habe BWL und VWL studiert, war in der Unternehmensberatung tätig. Aber der Gedanke an Kulinarik hat mich nie ganz losgelassen. Und irgendwann hat es mich doch zurückgezogen – über die Gastgeberrolle zurück in die Gastronomie.
Was war Ihre Motivation, das NAGANO nach Wien zu bringen – und was war Ihnen dabei besonders wichtig?
Da gab es zwei wesentliche Aspekte. Der persönliche war wohl der entscheidendere: Wien war und ist mein Lebensmittelpunkt. Ich bin mit 18 nach Wien gezogen, habe hier studiert und danach lange hier gelebt. Der Schritt, wieder nach Wien zurückzukehren, war ein echtes Herzensprojekt. Auf unternehmerischer Ebene war die Entscheidung ebenfalls sinnvoll – Salzburg ist eine kleinere Stadt, mit einem entsprechend kleineren Markt und begrenzteren Expansionsmöglichkeiten. Wien bot uns die Chance zu sehen, wie unser Konzept in einer größeren, vielfältigeren Stadt angenommen wird.
Sehen Sie da auch Unterschiede, wie Ihr Restaurant in beiden Städten ankommt?
Das Grundkonzept ist an beiden Standorten gleich: hochwertige Küche in entspannter Atmosphäre. Dennoch gibt es Unterschiede im Verhalten der Gäste. In Salzburg ist die durchschnittliche Verweildauer etwas kürzer, in Wien nehmen sich unsere Gäste mehr Zeit. Insgesamt ist das Feedback aber an beiden Standorten sehr positiv – und darauf sind wir unglaublich stolz.
Wie lange gibt es den Standort in Wien schon?
Seit Juni/Juli 2023 – also mittlerweile fast zwei Jahre. Es war ein kompletter Neustart mit einem neu zusammengestellten Team. Niemand kam direkt aus dem Salzburger Team mit. Das erste Jahr war turbulent, aber ich bin sehr stolz auf das, was wir gemeinsam geschafft haben, und sehr dankbar für mein Team.
Was macht das NAGANO heute – aus Ihrer Sicht – besonders im Wiener Gastronomiekontext?
Ich denke, das Besondere ist: Wir bieten japanisch inspirierte Kulinarik auf sehr hohem Niveau – aber eben nicht im Fine Dining-Stil. Das ist etwas, das ich in Wien vermisst habe: Ein Ort, an dem man großartig essen kann, der gleichzeitig unkompliziert und locker ist. Für eine Stadt dieser Größe ist das aus meiner Sicht noch immer unterrepräsentiert.
Wie würden Sie Ihre Küche in drei Worten beschreiben – und warum gerade diese?
Spaßig, authentisch, nicht-traditionell.
„Spaßig“, weil das Essen Freude machen soll – mit intensiven, überraschenden Aromen. „Authentisch“, weil wir das kochen, was wir selbst gerne essen. Und „nicht-traditionell“, weil wir unsere eigene Interpretation der japanischen Küche entwickeln – offen für Einflüsse, aber mit Respekt vor den Ursprüngen.
Haben Sie ein Lieblingsgericht aus der aktuellen Speisekarte?
Wir haben eine klassische Unterteilung zwischen Sushi und warmen Speisen – deshalb fällt mir die Wahl nicht leicht. Um beiden Küchen gerecht zu werden, nenne ich jeweils ein Gericht. Bei den Sushi-Kreationen ist mein absoluter Favorit die Hot ‘n’ Fun Roll: extrem umami, intensiv, mit vielen spannenden Aromen – genau mein Geschmack. Bei den warmen Gerichten begeistert mich derzeit besonders die Udon Carbonara – eine gelungene „East meets West“-Kombination. Im Kern eine klassische Carbonara mit Eigelb und Pecorino, aber japanisch interpretiert mit Udon-Nudeln.
Was bedeutet die erste Haube und die Gault-Millau-Auszeichnung für Sie persönlich – und für das Team?
Wir haben diese Auszeichnung ziemlich früh nach unserer Eröffnung erhalten, was uns ehrlich gesagt überrascht hat – vor allem, weil wir noch so frisch gestartet waren. Wir hatten überhaupt nicht damit gerechnet, dass wir schon nach so kurzer Zeit bewertet werden. Umso mehr hat es uns natürlich gefreut. Es ist ein starkes Signal – nicht nur für uns als Team, sondern auch für mich persönlich. Eine Bestätigung, dass man offensichtlich nicht alles falsch macht, sondern auf dem richtigen Weg ist. Diese Anerkennung war für uns ein echter Motivationsschub.
Wie beeinflusst so eine Auszeichnung den Alltag im Restaurant? Mehr Druck – oder eher Bestätigung?
Einen spürbaren Druck hat die Auszeichnung nicht mit sich gebracht – zumindest nicht im negativen Sinne. Für unser Küchenteam war es eher ein Ansporn. Sie wussten nun: Wir sind auf dem Radar. Unsere Arbeit wird gesehen. Und wenn wir uns weiterentwickeln und noch besser werden wollen, dann müssen wir konsequent abliefern. Es war also eine Art positiver Druck, der nicht lähmt, sondern motiviert.
Was war Ihnen beim Interior-Design besonders wichtig – wie soll sich ein Gast fühlen, wenn er das NAGANO betritt?
Auch wenn der Begriff etwas überstrapaziert ist – man könnte es als „Industrial Chic“ bezeichnen. Ursprünglich hatten wir aber gar nicht vor, in diese Richtung zu gehen. Viel wichtiger war uns: Das NAGANO sollte sich deutlich abheben – von anderen Restaurants in der Umgebung, aber auch von gängigen Gestaltungsstilen. Der Raum sollte reduziert, aber nicht kühl wirken. Gemütlich, aber so schlicht, dass der Fokus auf dem Essen bleibt. Ich finde, unser Architektenteam hat das hervorragend umgesetzt – die Balance zwischen Zurückhaltung und Wärme, im Einklang mit der japanischen Philosophie des Stillen und Unaufgeregten.
Was sind Ihre nächsten Schritte – kulinarisch oder konzeptionell?
Kulinarisch konzentrieren wir uns aktuell stark auf die Konsistenz – also darauf, dass die Qualität unserer Gerichte auf konstant hohem Niveau bleibt, ganz gleich, wie viel Betrieb ist. Das ist gerade deshalb wichtig, weil unser Team inzwischen deutlich größer geworden ist als zu Beginn. Am Anfang waren wir ein kleines, eingespieltes Team – jetzt sind wir zu elft, und natürlich beeinflussen mehr Hände auch das, was letztlich auf dem Teller landet. Die Herausforderung liegt nun darin, dass jeder Besuch für unsere Gäste das gleiche hohe Niveau bietet – unabhängig davon, an welchem Tag sie kommen oder wer gerade Dienst hat. Das ist unser nächster Entwicklungsschritt.
Was möchten Sie, dass die Gäste mitnehmen, wenn sie das NAGANO verlassen – außer einem vollen Magen natürlich?
Unser Ziel ist es, dass jeder Gast ein rundum entspanntes Erlebnis bei uns hat. Wir setzen alles daran, dass niemand gestresst oder angespannt ist. Wenn jemand das NAGANO betritt, soll er den Alltag draußen lassen können. Es geht darum, sich wohlzufühlen, loszulassen, sich selbst nicht verstellen zu müssen. Ein Besuch bei uns soll ein bisschen wie eine kleine Auszeit sein – unkompliziert, herzlich, entspannt. Besonders schön ist es, wenn Gäste am Ende des Abends noch kurz bleiben, sich an der Tür bedanken und mit einem Lächeln gehen. Genau das ist die größte Bestätigung für das, was wir hier machen.
Vielen Dank für das Gespräch – und weiterhin viel Erfolg mit dem NAGANO!