Kolumne: Spiel mit dem Feuer (Peter Dobcak)

Lauren Seywald

Peter Dobcak, Obmann der Fachgruppe Gastronomie der Wirtschaftskammer Wien. © Culinarius

Jeder mit Organisationsentwicklung halbwegs vertraute Mensch weiß, dass Veränderung innerhalb einer Organisation strukturiert, gut kommuniziert und nachvollziehbar geschehen muss. Was es besonders braucht, ist Zeit, damit sich die Mitglieder in ihrer Gesamtheit an die Veränderung gewöhnen können. Folgen Veränderungen zu rasch hintereinander und sind diese vielleicht auch noch ungenügend klar kommuniziert, belastet das die Organisationsstruktur bis hin zu ihrem Zerfall.

Je kleiner die einzelnen Organisationseinheiten sind, umso aufwendiger ist das Um- und Durchsetzen von Veränderung. Viele kleine Einheiten sind zwar unheimlich flexibel und anpassungsfähig, allerdings schwer zu erreichen und noch schwerer zu kontrollieren. Zum Unterschied zu autoritären Systemen, erwarten diese auch über Sinn und Zweck der Veränderung informiert zu werden, bevor sie umgesetzt wird.

Die Grenze unseres Bundesgebietes umschließt die Organisation „Republik Österreich“. Jeder Mensch innerhalb dieser Grenze, ist Teil dieses demokratischen Systems. Über Bundesländer, Gemeinden, Städte, Dörfer, Betriebe oder Familien ist jede und jeder einzelne von uns die kleinste Einheit darin. Basis für das funktionierende Zusammenleben ist der Rechtsstaat mit seinen Gesetzen und Vorschriften.

Von Kindesbeinen an werden wir innerhalb diesem Rechtsstaat sozialisiert. Die Sache funktioniert dauerhaft allerdings nur unter einer Voraussetzung: Vertrauen in den Rechtsstaat und deren gewählte Vertreterinnen und Vertreter. Geschieht Veränderung – und das ist jedes neue Gesetz oder neue Verordnung – zum selben Thema zu rasch und ist damit nicht mehr schlüssig nachvollziehbar, geht das Vertrauen verloren. Damit über Kurz oder Lang auch der Wille der Bevölkerung sich dem Rechtsstaat zu beugen. Ein gutes Beispiel ist das Vor und Zurück bei den Corona-Maßnahmen. 

Was mich besonders betroffen macht, ist die Selbstverständlichkeit mit der unsere Volksvertreter davon ausgehen, dass die Bevölkerung diesem Schlingerkurs auf Dauer kritiklos folgt. 

Man mag die strengeren Maßnahmen in Wien begrüßen oder nicht, was zählt und wichtiges Vertrauen schafft, ist die Berechenbarkeit und Konsequenz im Handeln. Dies beweisen auch die Zustimmungswerte des Herrn Bürgermeister, die einiges über 50 Prozent liegen.

Vertrauen und Loyalität sind keine Einbahnstraße! In unserer aufgeklärten Welt als Gesetzgeber ausschließlich auf den Gehorsam der Bevölkerung zu bauen, ohne Vertrauen bildende Maßnahmen zu bieten, ist zu wenig. Im Gegenteil, es unterhöhlt unseren Rechtsstaat und damit unsere Demokratie in gefährlicher Weise. Wohin Staatsmacht gegen Volkszorn führt, haben wir in unserer Geschichte schon oft genug erlebt. Hüten wir uns davor diese Spirale in Gang zu setzen, denn sie beginnt sich meist ganz unauffällig zu drehen.

Euer
Peter Dobcak