Neueröffnung am Salzgries: Noble Savage

Marko Locatin

Igor Kuznetsov: Früher Ramen, jetzt entspanntes Fine-Dining © Noble Savage

Adelheid Reisinger führte mit ihrem Mann Michael Vesely über 10 Jahre das kleine Tages-Lokal Reisinger’s am Salzgies. 2019 zogen sich die beiden zurück. Seit einigen Wochen kocht hier Igor Kuznetsov. Das Noble Savage ist „Talk of town.“ Zu Recht? Ein Lokalaugenschein. 

Mit Abschieden tut sich der gelernte Österreicher schwer, besonders wenn es lieb gewordene Lokalitäten betrifft. Das Reisinger’s, habituell zwischen Beisl und Bistro angesiedelt, ist so ein Fall. Länger als ein Jahrzehnt kochte Adelheid Reisinger erfrischend wienerisch-voralberger-mediterrane Tagesgerichte. Mann Michel Vesely kümmerte sich um Service, Gäste, Getränke. Weltklasse war das Pastrami-Sandwich, weswegen man erfreulicherweise nicht mehr ins „Katz“ nach N.Y pilgern musste. Jedes Ende ist auch ein Anfang: Statt Tagesgerichten und Sandwich gibt es am Salzgries seit Anfang 2020 eklektische 4- oder 8 Fine-Dining-Menüs.

Der würdevolle Wilde

Beef Tatare mit Keta-Kaviar © Marko Locatin

Igor Kuznetsov führte zwei gut gehende Ramen-Bars (Fleischmarkt und Naschmarkt), wollte aber „endlich kochen, was ihm selber schmeckt“. Als sich die Betreiber des Reisinger’s in die Pension verabschiedeten, schlug er zu. Das kleine Lokal mit seinen 6 Tischen wurde kaum verändert, bloß die neue Tapete sticht ins Auge. In der winzigen Küche werkt noch ein Sous-Chef sowie ein weiterer Helfer, den Service bespielen Sven und Freundin. Es gibt 4 oder 8-Gänge (55 bzw. 99 Euro), wir entscheiden uns für die große Variante zu zweit. Einiges, wie das XO-Beef hat sich als Standard etabliert, andere Gerichte wechseln je nach Verfügbarkeit. Die meisten Produkte sind biologisch, die Herkunft ist auf der Website des Noble Savage nachvollziehbar. Im schnellen Vorlauf: Das Beef von der alten Milchkuh mit Keta-Kaviar (schickt die Mama aus Russland) von dichter Aromatik, die Vichysoise (eine dicke Suppe) nett, aber unspektakulär, die Fettuccine könnten vielleicht etwas mehr Scampi vertragen, Pithivier, die kleine Pastete mit Kraut und Ei kommt erfrischend knackig. Die gegarte Lammzunge erwies sich als

Rote Rüben-Küchlein © Marko Locatin

schollenartiges Fischlein (gewürzt u.a. mit Sichuan Pfeffer) auf Süßkartoffeln, das XO-Beef mit Kohlrabi plus Salsa Verde intensiv, das Dessert wiederum – ein Rote-Rüben-Küchlein, dessen Rezept dem 1862 publizierten „Everybody’s Pudding Book“ entlehnt ist, der Affogato corretto schließlich, mit etwas Chili aus der Sprühflasche angespiced, eine Referenz an Italien. Apropos spice: Der Mann hat ein goldenes Händchen für asiatisch inspirierte Verfeinerung. Jedes Gericht ist von subtiler Aromatik und Würze – nicht Schärfe, sondern Frucht und Umami dominieren.

Fazit: So eklektisch die Gerichte auch sein mögen – Russland, Frankreich, Korea, Japan lassen grüßen – Igor Kuznetsov hat hier bereits nach einigen Wochen zu einer eigenen Linie gefunden. Das Spiel mit Texturen und Schäumchen überlässt er anderen, sein Metier sind sensibel abgeschmeckte, einfach gehaltene, kleine Gerichte mit wenigen Zutaten. Noble Savage, by the way, ist ein der englischen Philosophie entlehnter Begriff und steht für den „unverdorbenen Wilden“, wobei Igor das lieber mit würdevoll übersetzt.

Noble Savage

Di-Sa: 17.30-23.00

Salzgries 15
1010 Wien

Tel: +43 (1) 664 994 98389.

www.noblesavage.at