Es ist der stille Moment, wenn die Kerzen flackern und der Tisch für die Gäste gedeckt ist – doch niemand erscheint. „No-Shows“ sind eine immer häufiger auftretende Realität, die nicht nur Platz und Umsatz kostet, sondern auch das Vertrauen in die Verbindlichkeit und Wertschätzung zwischen Gastronom:innen und Gästen erschüttert.
Ein leerer Tisch – wenn Erwartungen nicht erfüllt werden
Es ist Freitagabend. Die Sonne sinkt langsam hinter den Wiener Häusern, und im Pancho bereitet sich das Team auf einen weiteren spannenden Abend vor. Die Tische sind gedeckt, der Duft von frischem, gegrilltem Fleisch und Kräutern liegt in der Luft. Es ist der Moment, in dem jeder Handgriff des Küchenteams und der Servicekräfte auf das große Ziel hinarbeitet – den perfekten Abend für die Gäste. Doch an einem dieser Tische, dem am Fenster, wartet der Moment, der den gesamten Verlauf des Abends bestimmen könnte.
Der Tisch ist für zwei reserviert. Die Weingläser stehen glänzend, die Kerzen flackern sanft in der Ecke. Doch dann passiert etwas, das immer häufiger zur bitteren Realität in der Gastronomie wird. Der Tisch bleibt leer. Keine Gäste kommen. Keine Tür öffnet sich, keine Schritte hallen durch den Gastraum. 19:45 Uhr. Die Uhr tickt weiter, doch der Tisch bleibt verlassen.
Für Francisco Ferrufino Resnikowsky, den Inhaber des lateinamerikanischen Restaurants Pancho in Wien, ist dieser leere Tisch mehr als nur ein verpasster Umsatz. Es ist eine stille Enttäuschung, ein Symbol für die verpasste Begegnung.
Es gibt regelmäßig vier bis fünf Gäste, die einfach nicht auftauchen.
Francisco Ferrufino Resnikowsky
Was niemand sieht
Wir leben in einer Welt, in der alles schnell und spontan passiert und nur wenige fragen, was ein leerer Tisch wirklich bedeutet. Für die Gäste mag es ein „vergessen“ oder „spontan anders entschieden“ sein, doch für Gastronomen sind es die stillen Verluste, die niemand sieht. Jeder reservierte Tisch ist Teil einer präzisen Kalkulation. Jeder nicht erschienene Gast bringt diese ins Wanken.
Man sollte den Gästen deutlicher machen, dass hier große Kosten verbunden sind – also sehe ich die Missinformation als ein großes Problem an.
Francisco Ferrufino Resnikowsky
Die Kosten entstehen nicht nur durch das vorbereitete Essen, sondern auch durch die Arbeitskraft, die für den Abend eingeplant wurde. Die Mitarbeiter:innen stehen ohne Aufgabe da, und andere Gäste, die einen Tisch gesucht haben, wurden abgewiesen. Ein leerer Tisch ist also nicht nur ein finanzieller Verlust, sondern auch eine Enttäuschung für das Team, das mit Herzblut gearbeitet hat.
Gastronomie lebt von Verlässlichkeit. Doch wenn dieses Versprechen nicht eingelöst wird, bleiben nicht nur Tische leer – es fehlt an Vertrauen und Wertschätzung. Jeder Tisch wird mit Planung und Engagement vorbereitet. Wenn dieser nicht wahrgenommen wird, entsteht eine unsichtbare Belastung – vom Koch in der Küche bis zum Kellner, der sich fragt, warum er seine Zeit in einen Abend investiert hat, der nun ins Leere läuft.
Warum sagt niemand ab?
Die Gründe für das Fehlen der Gäste sind vielfältig. Von „vergessen“ über „spontan umentschieden“ bis hin zu „Ich dachte, das macht mein Freund“ – es gibt viele Erklärungen. Alles klingt nachvollziehbar, menschlich sogar. Doch hinter jeder Reservierung stehen Menschen mit einem ganz anderen Blickwinkel.
Wir leben in einer Gesellschaft, wo jeder auf sich selbst schaut.
Francisco Ferrufino Resnikowsky
Dieser Satz bleibt hängen. Denn genau darin liegt der Kern des Problems: Es fehlt an Bewusstsein. An Mitdenken. An Verbindlichkeit.
In einer Welt, in der jeder mehr oder weniger für sich selbst verantwortlich ist, verliert der einzelne oft den Blick für das Große, für das Gemeinsame. Für die Menschen, die sich aufeinander verlassen müssen, um ein funktionierendes System aufrechtzuerhalten. Und das ist genau der Punkt, an dem No-Shows in der Gastronomie zu einem so großen Problem werden.
Neue Wege statt alter Vorwürfe
Inmitten der Herausforderungen, die „No-Shows in Restaurants“ mit sich bringen, gibt es in Österreich zunehmend kreative Lösungsansätze. Einige Gastronom:innen setzen auf Erinnerungsnachrichten, die ihre Gäste an die bevorstehenden Reservierungen erinnern, andere führen Wartelisten ein, um flexibler auf kurzfristige Änderungen reagieren zu können. Einige Betriebe erheben sogar Reservierungsgebühren, um die Verbindlichkeit zu stärken und der ständigen Unzuverlässigkeit entgegenzuwirken.
Doch diese Maßnahmen allein sind nicht genug. Das Problem der No-Shows ist tief verwurzelt und lässt sich nicht nur mit praktischen Lösungen bekämpfen. Es erfordert ein gesellschaftliches Umdenken. Es geht darum, wieder zu lernen, Verantwortung zu übernehmen und Verbindlichkeit zu schätzen. Denn in der Gastronomie geht es nicht nur um den reinen Austausch von Dienstleistungen – sie lebt von Vertrauen, von Planung, von Menschen, die aufeinander zählen können.
Ein Tisch ist mehr als ein Platz
Wenn wir uns hinsetzen und den gedeckten Tisch betrachten, sehen wir mehr als nur eine Fläche, die auf den nächsten Gast wartet. Ein Tisch ist ein Versprechen. Ein Versprechen, dass ein Moment der Begegnung entstehen wird. Hier werden Geschichten erzählt, Mahlzeiten geteilt und Erinnerungen geschaffen.
In einer Welt, in der alles schneller, spontaner und unverbindlicher wird, brauchen wir Orte, die das Gegenteil bieten: Beständigkeit, Menschlichkeit, Wärme. Und genau das bietet die Gastronomie – ein Raum, in dem Menschen zusammenkommen, um sich zu begegnen, zu schätzen und zu verstehen.
Die nächste Reservierung, die wir tätigen, sollte mehr sein als nur eine einfache Buchung. Sie ist eine Verpflichtung, ein Moment der Begegnung, ein Versprechen. Ein Versprechen, dass der leere Tisch kein symbolischer Verlust wird, sondern ein Ort, an dem Verbindlichkeit und Wertschätzung wirklich zählen.