Zwischen oberösterreichischem Fermentationsgeist und Salzkammergut-Purismus balanciert Lukas Nagl nicht nur mit beeindruckender Leichtigkeit, sondern mit einer kulinarischen Klarheit, die selten geworden ist. Als Küchenchef des Bootshaus in Traunkirchen und Mastermind hinter den Restaurants und Hotels der Gröller Hospitality versteht er es, Regionalität nicht als Label, sondern als Lebensgefühl zu erzählen. Bei Nagl wird nicht romantisiert, sondern reflektiert- die Fischsauce aus Seehechtkarkassen erzählt ebenso Geschichte wie ein tomatenfreies Winterbuffet. Dieses Interview wirft einen Blick auf die Haltung hinter der Haube, die Philosophie hinter der Reduktion und auf ein Kochverständnis, das zutiefst gegenwärtig ist, gerade weil es sich auf das Wesentliche konzentriert.
Ihre Küche erzählt Geschichten der Region, aber nie folkloristisch- wie gelingt Ihnen dieser schmale Grat zwischen Ursprünglichkeit und Zeitgeist?
Regionalität bedeutet für mich diese in Details zu leben, nicht nur oberflächlich. Nicht nur, dass wir als Beispiel den Fisch als Wildfang direkt aus dem Traunsee beziehen, sondern weiter denken – was ist die beste Art den Fisch zu töten, wie kann ich alle Teile verwenden? Das Salzkammergut ist für mich Heimat und Inspirationsquelle, wir schauen auf das Naheliegende, haben aber auch den Blick in die Welt. Auch was Zubereitungsarten angeht. Ein Teil davon ist die Fermentation und die damit verbundene gelebte Nachhaltigkeit. Egal ob aus Fischresten Fischsauce wird, aus Gerste ein Bio Gerstl Miso oder aus Kürbiskernpresskuchen und Weizen Bio Kürbiskern Shoyu. In meiner Firma Luvi Fermente produziere ich gemeinsam mit Viktor Gruber und Christine Brameshuber Sojasaucen, Misopasten und Fischsauce aus rein heimischen Zutaten, diese finden sich dann natürlich auch in den Speisen des Restaurants Bootshaus und so treffe ich den Zeitgeist und konzentriere ich mich auf das Ursprüngliche.
„Im Wandel der Werte“- so beschreiben Sie Ihre Arbeit. Was bedeutet das konkret für Ihre tägliche Entscheidungsfindung in der Küche?
Im Wandel der Werte bedeutet, dass wir allen Lebensmitteln den gleichen Stellenwert zuschreiben. Egal ob Fisch, Fleisch oder Gemüse – die Wertigkeit der Lebensmittel ist gleich. So kaufen wir zB. beim Fischer den ganzen Fang und verarbeiten beim Fisch oder Fleisch das ganze Tier. Jedes Stück hat seinen Wert, nicht nur das Filet. Diese Entscheidung beruht einerseits auf der Wertschätzung für das ganze Produkt, erzeugt gleichzeitig aber auch eine wichtige Wirtschaftlichkeit in der Küche.
Reduktion, Perfektion, Purismus: Was reizt Sie an der Idee, den Produkten so radikal Raum zu geben- und wann wird Einfachheit zur Herausforderung?
Vor kurzem hat ein Gast einmal die Bootshaus Küche als die “Magie der perfekt balancierten Einfachheit” genannt. Durch unsere Wertschätzung zum ganzen Produkt und Lebensmittel ist in der Küche viel Kreativität gefordert diese so unverfälscht und rar auf die Teller zu bringen. Wenn unsere Gerichte dabei den Gast unaufdringlich überraschen und besondere Geschmackserlebnisse erzeugen, ist das natürlich das beste Zeugnis für unsere Arbeit.
Nachhaltigkeit ist bei Ihnen kein Konzept, sondern eine Haltung. Gibt es Momente, in denen dieser Anspruch mit dem Gästeerlebnis kollidiert?
Natürlich gibt es diese – erst kürzlich hatten wir diese Diskussion rund um das Frühstücksbuffet. Tomaten und Gurken kommen bei mir auf das Buffet, wenn sie in Saison sind und sonst nicht. Eingelegtes und fermentiertes Gemüse gibt es natürlich das ganze Jahr in unseren Küchen. Im Restaurant Bootshaus gibt es keine Speisekarte, sondern einen täglichen frischen Warenkorb aus dem wir die Gerichte je nach den regionalen Lieferungen zusammenstellen. Dieses Konzept ist natürlich für manche Gäste neu, es freut uns aber, dass auch diese sich dann auf unsere Reise einlassen.
Als Koch des Jahres 2023 und mit 4 Hauben geehrt- wie gehen Sie mit der Erwartungshaltung um, die solche Auszeichnungen mit sich bringen?
Auszeichnungen sind etwas Schönes und ein großes Lob und Dank an das gesamte Team und wir sind sehr dankbar für diese. Als Team haben wir täglich viel Freude immer besser zu werden und dann ist es eine natürlich Entwicklung finde ich. Wenn man Freude am Tun hat und daraus dann solche Auszeichnungen entstehen ist es dann immer wieder etwas besonderes.
Gibt es ein Gericht auf Ihrer Karte, das für Sie eine Art kulinarisches Selbstporträt darstellt?
Ja, der German Goldparadeiser bestehend aus eben diesen zusammen mit Butternusskürbis, Ziegenfrischkäse u.a. Dieses Gericht spiegelt sehr gut das Terroir und meine Persönlichkeit wider, es ist zeitlos. Ein bisschen zu scharf, zu sauer und zu salzig. Unsere Gäste erkennen darin denke ich gut meine persönliche Kochweise. Er ist für mich wie eine Reise in den Süden und wieder zurück nach Österreich. Mit Lavendel, Haselnüssen und Liebstöckl.