Wenn der Frühling in Wien ankommt, beginnt auch in der Gastronomie eine der schönsten Zeiten des Jahres: die Spargelzeit. Die Sonne blinzelt durch die Straßenlaternen, in den Schanigärten klirren die ersten Gläser, und auf den Tellern landet ein Gemüse, das mehr ist als nur Beilage – es ist Symbol für Frische, Handwerk und saisonale Küche. Zwischen Ende April und Mitte Juni ist das „weiße Gold“ in aller Munde. In Wiens Restaurants hat eine Phase begonnen, in der Regionalität und Tradition in den Küchen genauso wichtig sind wie Innovation und Leichtigkeit. Es ist eine Zeit, in der sich die österreichische Gastronomie von ihrer raffiniertesten Seite zeigt.
In den letzten Jahren haben Gastronomen und Produzenten die Spargelzeit immer wieder neu interpretiert, neue Kreationen erfunden und alte Klassiker auf höchstem Niveau gefeiert. Besonders in der Wiener Gastronomie boomt die Nachfrage nach frisch gestochenem Spargel aus regionalem Anbau, und nicht nur die Spitzengastronomie hat das grüne Gemüse für sich entdeckt.
Kulinarisches Erbe trifft auf kreative Küche
Österreichs Küche lebt von ihrer Geschichte – vom Rindsgulasch bis zur Spargelcremesuppe. Doch gerade das macht sie so wandelbar. In der Spargelzeit greifen viele Restaurants auf klassische Rezepte zurück, interpretieren sie aber auf neue Weise. In Wiener Wirtshäusern findet man wieder vermehrt Gerichte wie gratinierten Spargel mit brauner Butter oder Spargel mit Erdäpfel-Vinaigrette, wie ihn schon die Großmutter serviert hat. Aber genauso entstehen neue Kreationen: etwa Risotto mit grünem Spargel, Burrata Salat mit Spargel, der mediterrane Frische auf österreichische Saison trifft.
Ein Restaurant wie Wildling in der Laudongasse zeigt, wie vielfältig die Zubereitung des Spargels sein kann. Manuel Künz, der Inhaber, betont die Bedeutung der Saisonalität in seiner Küche.
Wir arbeiten streng saisonal und mit Kleinbauern aus der Region, die uns mit dem Spargel beliefern. Hier ist uns natürlich die höchste Qualität wichtig.
Manuel Künz, Inhaber vom “Wildling”
Künz erklärt weiter, dass der Spargel eine feste Position auf der Frühlingskarte – auch wenn sich das restliche Menü alle zwei bis drei Wochen ändert. Was aktuell auf den Tellern landet, zeigt den kulinarischen Anspruch des Hauses: Als vegetarischer Happen wird ein Rollgersten-Risotto mit Schlossberger Alt, Bärlauch und grünem Spargel serviert. Auf der veganen Tapas-Variante überrascht Spargel mit Nori, Rhabarber und Kerbel – eine Kombination, die zeigt, wie verspielt und modern Regionalität schmecken kann.
Der Geschmack der Region – und das Vertrauen in die Produzenten
Das Besondere an der Spargelzeit ist nicht nur das Produkt selbst – es ist die Geschichte dahinter. Viele Gastronomen setzen bewusst auf heimischen Spargel, der meist aus dem Marchfeld oder der Südoststeiermark stammt. Hier, wo das Klima mild und die Böden sandig sind, wächst der Spargel besonders zart und aromatisch. Gestochen wird oft in den frühen Morgenstunden – per Hand, Stange für Stange. Diese Verbindung zur Region und den Produzenten zeigt sich nicht nur in der Frische, sondern auch im Geschmack der Gerichte.
Wer in diesen Wochen durch die Stadt spaziert, sieht es nicht nur auf den Speisekarten, sondern spürt es: Die Stadt ist in Frühlingslaune. Es wird gelacht, getrunken, gegessen – und über den besten Spargel diskutiert. Welcher besser schmeckt: grün oder weiß? Ob er nur mit Butter oder doch mit Sauce Hollandaise serviert werden soll. Die Meinungen gehen auseinander, doch in einem Punkt sind sich alle einig: Wenn Spargel serviert wird, beginnt der Genuss mit dem ersten Biss – und endet oft mit dem Wunsch nach einem Nachschlag.
Handwerk und Hingabe – die Kunst der Zubereitung
Spargel ist ein stilles Gemüse. Er drängt sich nicht auf, schreit nicht nach Aufmerksamkeit – und gerade das macht ihn in der Küche so besonders. Seine Aromen sind fein, seine Konsistenz delikat, seine Wirkung auf dem Teller subtil. Wer Spargel richtig zubereiten will, muss zuhören können. Der erste Schritt beginnt schon beim Schälen: gleichmäßig, mit ruhiger Hand, Schicht für Schicht. Denn was zu wenig ist, hinterlässt Fäden auf der Zunge. Was zu viel ist, nimmt dem Spargel seine Substanz. Beim Garen zeigt sich die ganze Empfindsamkeit der Stange. Ein paar Minuten zu lang im Wasser, und die feinen Bitternoten kippen ins Fahle. Zu wenig gegart, bleibt er hart und verschlossen. Die Kunst liegt im Dazwischen – in diesem einen perfekten Moment, in dem sich das zarte Innere entfaltet, ohne dass die Struktur verloren geht.
In ambitionierten Küchen wie jener des Wildling wird dem Spargel mehr als nur die klassische Behandlung zuteil. Hier wird experimentiert, geschmort, gegrillt, fermentiert. Die Stangen wandern nicht einfach vom Markt in den Topf – sie bekommen Zeit. Zeit zum Reifen, zum Marinieren, zum Zusammenspiel mit anderen Aromen. Mal trifft der Spargel auf kräftigen Käse, mal auf salzige Algen oder säuerlichen Rhabarber. Diese Hingabe an das Produkt ist es, was den Unterschied macht. Sie zeigt sich in der Ruhe, mit der gearbeitet wird, in der Neugier auf ungewöhnliche Kombinationen, in der Freude am Detail. Und letztlich in dem Gefühl, das ein gut zubereiteter Spargel hinterlässt: dass man gerade etwas Besonderes gegessen hat. Nicht pompös, nicht laut – sondern einfach gut.
Spargelzeit als Erlebnis – für Gäste und Gastgeber
In den ersten warmen Frühlingswochen spürt man es überall: die Stadt atmet auf. Die Menschen zieht es nach draußen, die Laune wird besser, und die Lust auf leichte, frische Gerichte wächst. Für viele Restaurants, wie auch Wildling, bedeutet die Spargelzeit nicht nur kulinarischen Genuss, sondern auch einen wirtschaftlichen Aufschwung.
Gerade jetzt, in der Zeit für frische, knackige, leichte Speisen, ist die Nachfrage nach Spargel bei uns besonders hoch. Gäste rufen zum Teil sogar vorher an und wollen wissen, was es mit dem Spargel auf der Karte gibt.
Manuel Künz, Inhaber von “Wildling”
Diese Begeisterung der Gäste unterstreicht die Beliebtheit des Gemüses in der Frühlingssaison und zeigt, wie stark die Spargelzeit auch die Gastronomie prägt. Die Spargelzeit ist mehr als nur eine kulinarische Saisonalität. Sie wird so zum stillen Hauptdarsteller eines kulinarischen Frühlingsgefühls. Und symbolisiert die Lust, sich Zeit zu nehmen, und den Wert des Moments – sei es beim Gespräch am Tisch, beim Glas Wein im Sonnenlicht oder bei einem Teller, der mehr ist als nur Nahrung. Mitte Juni endet die Saison still, aber der Nachhall bleibt: der Geschmack eines besonders zarten Spargelgerichts, das Gespräch im Schanigarten, der erste laue Abend des Jahres. Vielleicht ist das das wahre Geheimnis des Spargels – dass er nur für kurze Zeit Teil unseres Alltags wird, aber lange in Erinnerung bleibt.