WK-Wahl: Was plant Martina Haslinger-Spitzer ?

Marko Locatin

Martina Haslinger-Spitzer

Von 10.-13. März wählt die Wirtschaftskammer ihre neuen Branchenvertreter. In der Sparte Gastronomie möchte Peter Dobcaks Stellvertreterin seine Nachfolge antreten. Die Problem sind bekannt und Martina Haslinger-Spitzer vom Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband fordert Ähnliches wie Dobcak. Doch können große Veränderungen in diesem System überhaupt gelingen?
Marko Locatin hat mit der Kandidatin gesprochen.

Frau Haslinger-Spitzer, wie sind Sie eigentlich zur Gastronomie gekommen?

Die Gastronomie ist für mich nicht einfach nur ein Beruf, sie ist tief in meiner Familie verwurzelt. Schon in den 1990er Jahren eröffneten meine Eltern unseren Familienbetrieb, und ich war von Anfang an mittendrin. Ich habe die Leidenschaft für das Gastgewerbe früh gespürt und mich bewusst für diesen Weg entschieden. Von 1990 bis 1993 besuchte ich die Gastgewerbefachschule (GAFA), und nur zwei Jahre nach meiner Ausbildung stand für mich fest: Ich will meinen eigenen Betrieb führen. 1995 habe ich um die Konzession für mein Schutzhaus angesucht, im März 1996 habe ich es eröffnet.

Der langjährige Obmann Peter Dobcak (Wirtschaftsbund) war ja extrem viel unterwegs. Wie möchte Martina Haslinger-Spitzer (Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband) denn ihr Amt anlegen?

Ich bin seit 2005 in der Fachgruppe aktiv und habe in dieser Zeit viel gelernt. In den vergangenen Jahren habe ich bewusst den Schritt in die Catering-Branche gesetzt, um neben meinem Beruf genug Kapazitäten für eine aktive Rolle in der Wirtschaftskammer zu haben. Es reicht nicht, zuzuhören und Probleme zu benennen – jetzt ist es an der Zeit, umzusetzen.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen in der Gastronomie und was möchten sie umsetzten?

Die Gastronomie kämpft seit Jahren mit den gleichen strukturellen Problemen – der Fachkräftemangel ist enorm, die Betriebskosten steigen, Energiepreise und Lohnnebenkosten sind eine enorme Belastung. Viele Unternehmer:innen haben in den letzten Jahren bis an ihre Grenzen gearbeitet, um ihre Betriebe am Laufen zu halten, und werden dann noch mit immer neuen bürokratischen Hürden konfrontiert. Und als wäre das nicht genug, droht nun auch noch eine völlig realitätsfremde Diskussion über ein Rauchverbot in Schanigärten. Wer die Wiener Gastronomie kennt, weiß, was das für viele Betriebe bedeuten würde.

Wohl das Ende….

Leider ja. Ich werde mit aller Kraft dafür kämpfen, dass es nicht kommt – nicht in ein paar Jahren, sondern gar nicht.

Apropos Bürokratie und lange Genehmigungsverfahren. Auch Peter Dobcak hat sich für den Abbau der bürokratischen Hürden eingesetzt, doch eingeräumt (Das Interview mit Dobcak lesen sie HIER), dass zu wenig umgesetzt wurde. Woran liegt das und wie wollen sie das ändern?

Der Grund dafür liegt in der behördlichen Praxis und den politischen Mehrheitsverhältnissen. Vieles bleibt in endlosen Verfahren stecken, weil sich niemand zuständig fühlt oder Verantwortung übernimmt. Wir haben als SWV WIEN in den letzten Jahren massiv Druck gemacht, um diese Prozesse zu beschleunigen – mit Erfolg. Viele unserer Forderungen zum Bürokratieabbau wurden mittlerweile in das Regierungsprogramm aufgenommen. 

Ein großes Thema ist die Schaffung eines „One-Stop-Shops“ für behördliche Prozesse. Es kann nicht sein, dass Unternehmer:innen sich durch zig verschiedene Stellen kämpfen müssen, um eine einfache Gewerbeanmeldung oder Förderanfrage abzuwickeln. Unser Ziel ist eine zentrale Plattform, auf der alle behördlichen Anliegen digital und innerhalb von 24 Stunden abgewickelt werden können.

Wofür möchten sie sich noch einsetzen?

Die Sozialversicherung für Selbstständige ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen. Es kann nicht sein, dass Selbstständige im Krankheitsfall finanziell ins Bodenlose fallen. Es braucht eine gerechte Lösung, die eine Absicherung ab dem vierten Krankheitstag ermöglicht. Auch bei der Lehrausbildung muss sich dringend etwas ändern. Wir brauchen praxisnahe Modelle, die es jungen Menschen erleichtern, den Weg in die Gastronomie zu wählen – und wir brauchen endlich eine Ausbildung, die den echten Anforderungen des Berufs entspricht.

Wie kann so eine reformierte Lehrausbildung konkret aussehen?

Lehrberufe müssen viel schneller an neue Berufsbilder angepasst werden – die aktuellen Reformzyklen von bis zu sieben Jahren sind ein untragbarer Zustand. Gerade in Zeiten der Digitalisierung müssen technologische und gesellschaftliche Entwicklungen sofort in die Lehrpläne übernommen werden. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Attraktivierung der Lehre als zweiter Bildungsweg. Wer sich später für eine Lehre entscheidet, sollte bereits absolvierte Ausbildungen anrechnen lassen können. In einer „Berufsschule-Light“ würden dann nur noch fachspezifische Kenntnisse vermittelt. Das macht die Lehre offener und flexibler – und gibt auch Quereinsteiger:innen eine echte Chance.

Letzte Frage: Manch Gastronomie sieht in der Kammer bloß eine lästige Pflichtmitgliedschaft

Die Gastronomie braucht endlich eine Wirtschaftskammer, die sich nicht mit leeren Versprechungen begnügt, sondern sich an den Menschen orientiert, die täglich in ihren Betrieben stehen, Arbeitsplätze schaffen und unsere Stadt lebendig halten. Die vielen kleinen und mittleren Betriebe sind das Rückgrat der Branche – genau sie müssen im Mittelpunkt stehen.

Frau Haslinger-Spitzer, danke für das Gespräch.