Igor Nesterenko: Scherbenhaufen zum Abschied!

Dominik Köhler

Igor Nesterenko im Wieden Bräu, einem seiner ehemaligen Betriebe ©Culinarius

Der Geschäftsmann Igor Nesterenko hat seine Betriebe verkauft und sich aus der Wiener Gastronomie zurückgezogen. Ein Abschied mit Folgen. Gastro.News hat exklusive Informationen zu Gerichtsverfahren, Geldeintreibung und Neuübernahmen.

Igor Nesterenko ist nach Österreich gekommen, um sein Glück in der Wiener Gastronomie zu finden. Gelungen ist ihm das aber nicht. Obwohl es an Anstrengungen freilich nicht mangelte, die gab es in den vergangenen Jahren nämlich zu Hauf. Insbesondere an der Wiedner Haupstraße 111 hat sich der Gastronom gleich mehrfach die Zähne ausgebissen. Die einstige Steirer Stuben an besagter Adresse, verwandelte Nesterenko ins Laurenz 4 mit dem Ziel, ein Bierlokal als neuen Gästemagnet in Wien Wieden zu etablieren. Später versuchte er sein Glück erneut und übernahm das Flatschers 1050, aber der große Erfolg blieb auch dieses Mal aus. Nebenher betrieb der Gastronom das Café Stadtkind auf der Universitätsstraße 11, im 1. Wiener Gemeindebezirk , die Craftmühle in der Mühlgasse, die er von den damaligen Betreibern Oliver und Markus übernahm, sowie das Wiener Wieden Bräu. Die erste Wiedner Gasthaus Brauerei wurde aufwendig umgebaut, und dann mit neuem Team und frischem Look eröffnet. Heute laufen die Lokale ohne Nesterenko als Chef, denn wie Gastro.News erfuhr, hat die NEST Brauerei und Gaststätten Betriebs GmbH, sowie die NEST Asset Management GmbH ihre Betriebe verkauft. Sauber war der Abschied aber keineswegs, das Gegenteil ist der Fall.

Das Wieden Bräu ist vorübergehend geschlossen ©Wieden Bräu

Ein Abschied mit Folgen

Überall verbrannte Erde, Scherbenhaufen und Gerichtsverfahren. Soviel zum gastronomischen Vermächtnis von Igor Nesterenko in Wien. Der Unternehmer hat seine Betriebe verkauft und widmet sich, wie Gastro.News von vertraulicher Quelle erfuhr, zukünftig anderen Aufgaben. Ein Schlussstrich, der eine Reihe an Problemen nach sich zieht, die leider nicht auf den Schultern des Einzelnen lasten. Im Gespräch mit zwei ehemaligen Mitarbeitern des Unternehmers erfahren wir, dass sich der Rückzug Igor Nesterenkos aus der Wiener Gastronomie bereits abzeichnete. Denn schon im Zuge deren Beschäftigungsverhältnis waren monetäre Probleme zu erkennen.

Ex-Mitarbeiter packen aus

Die Wahrheit kommt ans Licht, und trägt nichts Schönes zu Tage. Zwei ehemalige Mitarbeiter der NEST Brauerei und Gaststätten Betriebs GmbH sprechen offen über das, was sie als Arbeitnehmer des Gastronomen erleben mussten. Allem voran geht es natürlich ums Geld. Markus K. (Name von der Redaktion geändert) verdiente sich in einer Führungsposition im Flatschers Original von Juni 2019 bis März 2022 seinen Lebensunterhalt. Zumindest manchmal. Eine Klagsvorbringung und Gerichtsverfahren am Arbeits- und Sozialgericht Wien ist die Folge. „Man schuldet mir bis heute tausende Euro für die Arbeit die ich für Igor Nesterenko geleistet habe. Dafür kämpfe ich mittlerweile seit mehreren Monaten. Ich gebe nicht auf und rechne bis heute mit einem Sieg. Was bleibt mir auch anderes übrig“, so der ehemalige Mitarbeiter. Und weiter:

Das Gehalt war immer Thema. Mal ist es gar nicht gekommen, dann aufgeteilt auf zwei Hälften. Ich habe meinen Lohn sogar einmal in Bar bekommen.

Markus K.

„Die schlimmste Zeit war nach dem Ausbruch der Corona Krise. Da habe ich drei Monate lang unfreiwillig umsonst gearbeitet.“ Markus hat damals bei der Bank um die Erhöhung seines Kreditrahmens gebeten, um die gehaltlose Zeit irgendwie zu überbrücken. Erfolglos, denn die unregelmäßigen Zahlungen des Arbeitgebers haben die Bank an der Vertraulichkeit zweifeln lassen. „Das war eine große Belastung und hat mich in eine echte Notsituation gebracht. Ich hoffe der Exekutionsauftrag bringt mir das, was mir zusteht. Wo das Geld herkommen soll, ist aber offensichtlich nicht so einfach festzustellen“, erzählt der ehemalige Mitarbeiter. Und das ist noch nicht alles.

Unangekündigter Besuch

Markus K. berichtet weiter über einen Vorfall im Flatschers Original, bei dem im Zuge eines unangekündigten Besuchs von den Behörden die Tageslosung des Restaurants gepfändet wurde. Ein alarmierendes Zeichen für die Liquidität des Betriebs. Und auch die ehemalige Kellnerin Sabrina S. (Name von der Redaktion geändert) hat die Arbeit für Igor Nesterenko schmerzlich in Erinnerung. „Monatelang habe ich kein Geld bekommen. Rund 2.500 Euro stehen mir noch zu, von denen ich bis heute nichts gesehen habe. Von dem Geld für geleistete Überstunden will ich gar nicht anfangen. Ich habe nach der Kündigung bei der Arbeiterkammer um Hilfe gebeten, die sich meinem Fall angenommen hat. Bislang allerdings leider erfolglos“, so die ehemalige Mitarbeiterin. Auf die Frage warum sie auf eine gerichtliche Klärung verzichtet antwortet sie: „Dafür fehlt mir die Kraft. Das ist mir zu emotional. Ich möchte mit dem Igor nichts mehr zu tun haben und bin froh, wenn wir uns nicht mehr sehen.“

Auch Lieferanten betroffen

Eine vertrauliche Quelle aus der Branche erzählt Gastro.News zudem, dass nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter den „unkonventionellen“ Zahlungsgewohnheiten des Gastronomen zu leiden hatten. Auch die Lieferanten hätten zunehmend das Vertrauen in die NEST Brauerei und Gaststätten Betriebs GmbH verloren. Dazu zählen laut Insider unter anderem ein Getränke- und ein Fleischlieferant (Unternehmen sind der Redaktion bekannt), die laut Quelle auf eine Zahlung in Bar bestanden hätten. Denn auch große Betriebe verzichten wohl lieber auf Rechtsstreitigkeiten jedweder Art, wie es bei Markus K. der Fall ist. Mit dem Abschied Nesterenkos aus der Wiener Gastronomie ist der Weg frei, die Restaurants unter neuer Leitung in die Zukunft zu führen. Genau das ist auch der Fall. Gastro.News hat erste Details.

Neue Betreiber, alte Betriebe

Auch das Flatschers Original hat einen neuen Besitzer ©Flatschers

Am Ende ist es wie so oft Zeit für einen Neuanfang. Und den gibt es auch. Sowohl das Flatschers Original, Wieden Bräu als auch das Café Stadtkind haben bereits neue Betreiber. Behnam Danesh beispielsweise hat das Flatschers auf der Kaiserstraße 113/115 übernommen (Gastro.News berichtete), und damit auch die noch zu bezahlenden Rechnungen. Denn laut AVRAG (Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz) gilt folgende Regel: wird ein Betrieb von einem Unternehmen gekauft, so haftet der Erwerber für alle Schulden. Die Verantwortung liegt nun bei dem neuen Betreiber, die Gläubiger und Mitarbeiter nicht auf ihren Schulden sitzen zu lassen. Gastro.News wünscht allen Betroffenen, die noch eine Rechnung mit dem Unternehmer Igor Nesterenko offen haben, viel Glück, Zuversicht, einen langen Atem und hält Sie wie gewohnt über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden.