Kann denn französische Küche einfach sein?

Andrea Wieger

Trends gibt es ja bekanntlich sehr viele, auch in der Gastronomie. Und meistens ist das auch gut so. Dennoch schleicht sich nach einer gewissen Ablaufzeit eines Trends immer ein wenig dieses „ach schon wieder…“-Gefühl ein. Dann hat man irgendwann keine Lust mehr auf all das neumoderne Zeug. Neben der sich wie Kaugummi ziehenden bärtigen Hipster-Welle geht’s mir jetzt schon ein bisschen so mit der „Bistronomy“-Bewegung, also mit der pseudolockeren Neo-Einstellung hochbegabter Spitzenköche, die plötzlich der Haute Cuisine den Rücken kehren und auf superlocker im neueröffneten Bistro tun. So manch einem kauft man diesen Sinneswandel ab, manch einem nicht. Hat der in Österreich eher unbekannte Nicolas Scandella das Zeug zu dieser Glaubwürdigkeit? Gemeinsam mit seiner Partnerin, der gebürtigen Wienerin Ninon Roux, führte er in den letzten Jahren ein zwei-Hauben-Lokal in der Westschweiz. Pachtverträge enden, Lebensabschnitte auch. Drum kocht er seit Anfang August in Wien, im schönen aber nicht mit Restaurant-Laufkundschaft übersätem Botschaftsviertel-Teil des dritten Bezirks. Benannt nach der gemeinsamen Tochter haben sie das „Léontine“ eröffnet.

Das Gastro-Paar putzte das alte Beisl entzückend heraus – die alte Schank wurde in Form gebracht, die Holzvertäfelung grau gestrichen, die Lamperie renoviert. Das Ambiente ist sozusagen charmant und wirkt insgesamt optisch rund. Auch die Ohren freuen sich: es gibt nämlich keine Musik. Man hört nur die anderen Gästeplaudereien und Besteckklappereien. Irgendwie ungewohnt ist das. Und irgendwie erfrischend ist das.

Und das, was zu Tisch gebracht wird? Ist auch erfrischend: Erdäpfel-Blinis mit Wiener Schnecke als Gruß aus der Küche beispielsweise. Dann die „Tomatenvielfalt“, ein schmackhafter Salat aus bunten Paradeisern, Zitronenbasilikum und Olivenöl, die Kombination Bachforelle, Pomelo und Kefir-Öl (einfach wow!), die grandiosen mit Eierschwammerl gefüllten Zucchiniblüten (€ 15) oder das interessante Perlhuhn mit Topfenpolenta und Zuckermais (€ 17). Ja, das sind schon feine Sachen, die der Herr Scandella hier auftischt. Die Karte beinhaltet generell einige Klassiker der französischen Küche: das oft umstrittene Foie Gras, Froschschenkel, trocken gereiftes Entrecôte mit Steinpilzen und natürlich guten französischen Käse und ein paar süße Tartes als Dessert.

Die Zutaten stammen überwiegend aus heimischer Produktion. Mittags wird ein Menü serviert (je nach Anzahl der Gänge zwischen € 13,50 und 19), abends isst man à la carte oder das sechsgängige Degustationsmenü (€ 56), die Weinkarte ist voll mit unbekannten Franzosen und nächstes Jahr soll der Schanigarten in Betrieb genommen werden. Bis dahin werden wohl noch ein paar Lavendelstauden gepflanzt.

Fazit:

Bien! Das Léontine ist für mich so ein Grenzfall was die Bistronomy-Glaubwürdigkeit angeht. Einerseits kreative, modern interpretierte französische Küche, sinnlich, qualitativ hochwertig und nicht unbedingt das was man unter günstig versteht (worum es beim französisch essen aber ohnehin nicht geht). Auf der anderen Seite teilweise unkompliziert und bodenständig angenehm. Wie dem auch sei: jeder macht sich am besten selbst ein Bild und zwar bald, bevor vielleicht halb Wien hingeht. Wer allerdings Entenstopfleber und Froschschenkel nicht mag, geht lieber woanders hin. Und für den Standort kann ich nur viel Glück wünschen.

 

Léontine

Reisnerstraße 39

1030 Wien

Tel. 01/712 54 30

www.leontine.at

Geöffnet: DI bis SA 11:30 – 15:00, zusätzlich DO-SA 18:30 – 23:00