Gastronomen aufgepasst: Es ist noch nicht überstanden!

Dominik Köhler

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Österreich feiert einen „Sommer wie damals“. Ohne Sperrstunde, Abstandsregel und Maskenpflicht. Aber Achtung: Der Leichtsinn kommt bekanntlich vor dem Fall. Eine Erklärung von Dr. Hans Henri P. Kluge, dem WHO-Regionaldirektor für Europa zeigt auf, worauf es jetzt ankommt.

Liebe Leserinnen und liebe Leser, Sie fragen sich bestimmt: Warum schreibt Gastro News einen Artikel zur aktuellen Stellungnahme von Dr. Hans Henri P. Kluge, dem WHO-Regionaldirektor für Europa? Und die Antwort ist ganz einfach. Weil es ist wichtig ist! Und weil es auch die Gastronominnen und Gastronomen des Landes betrifft. Die aktuelle Corona Situation in Österreich ist gut. Gerade einmal 95 Neuinfektionen wurden in den letzten 24 Stunden verzeichnet (Stand 02.07.2021). Aber ist die Pandemie deshalb überstanden? Nein. Gerade jetzt gilt es achtsam zu bleiben um sich und seine Liebsten zu schützen. Ein Auftrag der auch und vielleicht sogar besonders, die heimische Gastronomie betrifft. Eine Branche für die, deren Interessenvertreter, wie unter anderem Peter Dobcak, Fachgruppenobmann der Wirtschaftskammer Wien, Monate um die Wiedereröffnung kämpfen mussten. Bis es dann am 19. Mai endlich soweit war. Zur Freude aller Wienerinnen und Wiener, weiter aller Österreicherinnen und Österreicher. Und jetzt?

Locker geht es in den Sommer

Mit der Öffnung der Nachtgastronomie und dem Wegfall von Sperrstunde und Abstandsregel könnte man fast meinen, Österreich sei coronafrei. Und die Gefahr wächst, in einen Herbst wie im Jahr 2020 zu schlittern. Geprägt von Einschränkungen und verschärften Maßnahmen. Und das direkt nach einem „Sommer wie damals“. Daher ist es heute wichtiger denn je, die Kontrolle der 3G Regel rigoros umzusetzen, nicht wegzusehen und die Gesundheit über den Profit zu stellen. Das gilt für das kleinste Wiener Beisl, genau wie für die großen Diskotheken des Landes. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass auch im Sommer des Vorjahres, die Zahlen an täglichen Corona-Neuinfektionen so niedrig waren, wie sie es heute sind. Das sieht auch Dr. Hans Henri P. Kluge von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) so und äußert sich in einem, am 01. Juli 2021 veröffentlichten Statement wie folgt:

Erklärung von Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa

Der zehn Wochen anhaltende Rückgang der Fallzahlen von COVID-19 in den 53 Ländern der Europäischen Region der WHO ist zu Ende. Vergangene Woche stieg die Zahl der Fälle wieder um 10%, begünstigt durch mehr soziale Kontakte, Reisen, Massenveranstaltungen und die Lockerung sozialer Beschränkungen. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund einer sich rapide verändernden Situation, einer neuen besorgniserregenden Variante – der Delta-Variante – und einer Europäischen Region, in der trotz enormer Anstrengungen der Mitgliedstaaten immer noch Millionen Menschen ungeimpft sind.

Die Delta-Variante hat die Alpha-Variante sehr schnell überholt, und zwar aufgrund einer vielfachen Einschleppung, und hat schon jetzt eine Zunahme der Zahl der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle zur Folge. Bis August wird in der Europäischen Region der WHO die Delta-Variante vorherrschend sein, doch wird unsere Region bis dahin noch nicht vollständig geimpft sein (63% der Menschen warten noch auf ihre erste Impfung); und im August wird die Europäische Region immer noch weitgehend frei von Restriktionen sein, sodass die Bürger vermehrt reisen und sich in großen Gruppen versammeln werden.

Damit sind die drei Voraussetzungen für eine neue Welle mit vermehrten Krankenhauseinweisungen und Todesfällen erfüllt: neue Varianten, eine unzureichende Durchimpfung und verstärkte Sozialkontakte. Daher wird es in der Europäischen Region zu einer neuen Welle kommen, es sei denn, wir bleiben diszipliniert, umso mehr, als es nun deutlich weniger Regeln zu befolgen gibt, und sofern wir uns nicht alle unverzüglich impfen lassen, wenn wir an der Reihe sind.
Die Impfstoffe wirken auch gegen die Delta-Variante: nicht bei einer Dosis, aber bei zwei. Verzögerungen bei der Impfung kosten Menschenleben und belasten Volkswirtschaften, und je langsamer wir impfen, desto mehr Varianten werden entstehen. Auch wenn es in vielen Ländern gut läuft, so ändert dies doch nichts daran, dass die durchschnittliche Durchimpfung in der Europäischen Region erst bei 24% liegt; noch schwerwiegender ist, dass noch die Hälfte unserer Senioren und 40% unseres Gesundheitspersonals nicht geschützt sind.

Das ist nicht hinnehmbar – und weit von der für die erwachsene Bevölkerung empfohlenen Durchimpfung von 80% entfernt.

Angesichts dieser Zahlen kann von einem Ende der Pandemie nicht die Rede sein, und es wäre ein großer Fehler, wenn irgendjemand – Bürger oder Politiker – zu diesem Ergebnis käme. Ich bin heute nicht hier, um während der Europameisterschaft 2020 den Fans eine kalte Dusche zu verpassen oder jemandem den Urlaub zu verderben, aber bevor wir unseren Spielern zuschauen oder uns in der Nähe oder Ferne eine wohl verdiente Pause gönnen, fühle ich mich doch verpflichtet, Ihnen drei Botschaften mit auf den Weg zu geben:

Wenn Sie sich entschließen, zu reisen und Menschen zu treffen, schätzen Sie zuvor die Risiken ab, achten Sie auf Sicherheit und behalten Sie alle lebensrettenden Reflexe wie Maskentragen und andere Selbstschutzmaßnahmen bei, vor allem in geschlossenen Räumen und in Menschenmengen.

Lassen Sie sich impfen, zögern Sie nicht: für sich selbst und für andere.

Und lassen Sie die am stärksten Gefährdeten zuerst impfen.

Der Verlauf der COVID-19-Pandemie in den nächsten Wochen und Monaten – ob wir einen Wiederanstieg erleben, ob die Schulen wieder für unsere Kinder öffnen können – hängt von den Entscheidungen und Handlungen ab, die wir als Individuen und Gesellschaft und als Regierungen jetzt und in den kommenden Wochen treffen.

Es steht immer noch viel auf dem Spiel, aber denken wir daran: Solidarität zahlt sich aus.

Ich danke Ihnen.“

Quelle: WHO
Das Video zur Stellungnahme sehen Sie HIER!