Kolumne: Milltown Mell (Peter Dobcak)

Dominik Köhler

Peter Dobcak, Obmann der Fachgruppe Gastronomie ©Culinarius

Angesichts der fast 2 Jahre dauernden Pandemie mit all ihren Irrungen und Verirrungen besinnt man sich schon gerne mal auf Tradition. Tradition gibt bekanntlich Halt und Orientierung. Man weiß eben woran man ist, wenn oft uralte Rituale immer wieder zelebriert werden. Trotz der heute so schnelllebigen Zeit werden Tradition und damit verbundene Veranstaltungen, besonders im ländlichen Raum, immer noch gelebt. In der Stadt findet man Tradition eher bei Kultur- oder Sportveranstaltungen und natürlich bei Parteitagen. Geht im Ablauf dieser Veranstaltungen etwas schief oder läuft aus der Bahn, wird das gerne als schlechtes Omen für die Zukunft gesehen. Alles muss genau nach gewohntem Ablauf stattfinden, denn sonst ist klar, irgendwas Schlechtes kommt auf uns zu.

So geschehen auch am Tag vor dem weltbekannten Groundhog Day 2022. Der Tradition nach krabbelt das Murmeltier Milltown Mel, geweckt aus dem Winterschlaf, jedes Jahr am 2. Februar in seiner Heimatstadt Milltown, New Jersey aus seinem Bau. Sieht das Murmeltier seinen Schatten, weil ein sonniger Tag, dreht es um und kehrt in den Bau zurück. Das heißt noch weitere 6 Wochen Winter. Wirft es keinen Schatten bedeutet es baldiger Frühling.

Leider, leider ist Milltown Mel allerdings heuer einen Tag vor seinem großen Auftritt verstorben und der Groundhog Day musste abgesagt werden. Millionen Menschen in aller Welt blieben damit letzte Woche völlig orientierungslos zurück, was die endgültige Dauer des Winters betrifft. Ein ganz schlechtes Omen für den weiteren Verlauf des Jahres.

Besonderer Vielfalt, auch Tradition und Rituale betreffend, erfreut sich die Gastronomie. Bei jeder Gelegenheit die unser Kalender bietet wird der bestimmte Anlass für einen Ausflug in die Gastronomie genutzt. Sei es der kommende Valentinstag, der Muttertag, zu Martini, Weihnachten oder einfach ein besonderer Anlass. Gründe gut Essen zu gehen finden sich immer.

Für uns Gastronomen sind diese Anlässe wesentlicher Bestandteil unserer Umsätze auf die wir uns verlassen müssen. Fallen diese Ereignisse weg, bringt das unsere gesamte Wirtschaftsplanung durcheinander. Wobei wir wieder einmal bei der so dringend von der Politik eingeforderten Planbarkeit sind. Unsere wirtschaftliche, aber auch organisatorische Flexibilität, wurde in den letzten beiden Jahren extrem stark auf die Probe gestellt. Dazugelernt haben in dieser Zeit scheinbar nur wir, denn das Hin- und Her oder Vor- und Zurück, wie auch immer man es bezeichnen möchte, hat sich in den letzten Wochen noch mehr verstärkt. Über die wirtschaftlichen Auswirkungen macht sich die Politik offensichtlich zu wenig Gedanken, denn sie verlässt sich simpel auf die Leidensfähigkeit, aber auch die ungebrochene Regenerationsfähigkeit, unserer Unternehmen.

Besonders im Tourismus strebt diese Kombination ihrem Höhepunkt zu. Die Bevölkerung ist total verunsichert, geht kaum mehr weg, doch gleichzeitig erschwert man zunehmend den Zugang zu dringend benötigter finanzieller Unterstützung. Wöchentlich ändern sich die Zusagen und Aussagen, was Öffnungen, Vorgaben und Impfungen betrifft. So ist es kein Wunder, dass sich niemand mehr auskennt und landesweit allgemeine Verunsicherung herrscht. Gestern beschlossene Gesetze oder erlassene Verordnungen werden heute von Politikern relativiert oder umgestossen.

So dringend hätten wir heuer die Voraussage des Murmeltiers Milltown Mel benötigt, der mit einer Erfolgsquote von 39% unserer heimischen Politik an Planbarkeit weit voraus ist. Quasi ein Vorbild an Verlässlichkeit.

Euer
Peter Dobcak